Crazy Moon
»Tausende von Möglichkeiten, sie in ihrem Kummer zu trösten. Such dir eine aus.«
»Er ist nicht tot, Mira«, sagte ich.
»Schön wär’s«, murmelte Isabel düster.
»Los, Isabel. Such eine für Morgan aus. Oder mehrere. So viele, wie du möchtest.« Miras Stimme klang schon wieder munter. Und aufmunternd.
Isabel ging zum Regal und nahm eine Schachtel heraus. Mira wippte vergnügt auf ihrem Stuhl hin und her und lächelte mich an.
»Und du, Colie? Alles klar für dein großes Date?« Ich hatte ihr am Morgen bei unserer täglichen Frühstückskonferenz |268| – ich Energie-Nussflocken, sie Frosties – alles erzählt.
»Ich glaube schon.« Worauf ihr Lächeln noch vergnügter wurde.
Isabel öffnete eine Karte und las vor: »›Seit ich von deinem Verlust gehört habe, fühle ich mit dir . . . aber ich weiß, Zeit und Liebe heilen alle Wunden . . . und dein kleiner Freund wird für immer in deinem Herzen weiterleben.‹« Irritiert sah sie Mira an.
»Toter Hamster. Nimm lieber eine andere.«
»Okay.« Isabel klappte eine weitere Karte auf. »Wie wäre es damit: ›Wir müssen akzeptieren, dass wir auch jemanden verlieren können, der nur in unserem Herzen, nicht in Wirklichkeit existierte. Doch in deinem Herzen hat er wirklich gelebt. Ich weiß, dass sein Verlust dich auf eine Weise schmerzt, die viele nicht begreifen. Doch ich verstehe dich und es tut mir sehr Leid für dich.‹«
»Tote Seifenopernfigur. Passt auch nicht.« Mira erhob sich, ging zum Regal und begann ihrerseits die Schachteln zu durchsuchen. »Also . . . was hältst du von einem toten Ex-Ehemann? Oder von jemandem, für den man früher mal geschwärmt hat?«
»Das ist mir alles viel zu lieb und nett und niedlich.« Isabel schüttelte den Kopf. »Was wir brauchen, ist eine miese fiese Aufmunterungskarte. Aber die produziert kein Mensch.«
Mira hatte Isabel den Rücken zugekehrt und starrte vor sich hin. Grübelnd nahm sie einen Stift aus ihrem Haar und steckte ihn an einer anderen Stelle wieder hinein. Offenbar dachte sie angestrengt nach. »Natürlich, das ist es«, sagte sie plötzlich. »Ich Dummkopf! Wir machen |269| einfach eine Sonderkarte für Morgan.« Sie setzte sich wieder auf ihren Stuhl, kurbelte ihn hoch, nahm ein leeres Stück weißen Zeichenkarton und faltete es in der Mitte. »Okay, auf geht’s!« Sie leckte an der Spitze ihres Stiftes. »Was soll draufstehen?« Erwartungsvoll sah sie Isabel an.
Isabel blickte zu mir.
»Die Wahrheit«, sagte ich. »Die Wahrheit soll draufstehen.«
»Die Wahrheit.« Mira nickte zustimmend. »Die Vorderseite müsste also ungefähr so lauten: ›Es tut mir unendlich Leid, dass er dein Herz gebrochen hat.‹«
»Super«, sagte Isabel, »genau richtig.«
Mira beugte sich über die weiße Fläche und schrieb mit flüssigen Bewegungen. Unter den Satz zeichnete sie ein Herz mit einer gezackten Linie in der Mitte. »Okay«, meinte sie, als sie damit fertig war. »Jetzt brauchen wir einen Text für die Innenseite. Das ist immer das Schwierigste.«
Wir dachten alle drei angestrengt nach. Kater Norman spazierte durch den Raum und plumpste, als er uns sah, mit einem Seufzer zu Boden.
»›Es tut mir wirklich Leid, dass er dein Herz gebrochen hat.‹« Mira las die Vorderseite vor. »Aber . . .«
». . . aber er war ein mieser, verlogener Scheißkerl«, ergänzte Isabel, »und du hast etwas Besseres verdient.«
»Bingo!« Schwungvoll zog Mira einen weiteren Stift aus ihrem Dutt. »Genau richtig! Und . . .«
». . . und als deine beste Freundin«, fügte ich hinzu, »sage ich dir: Du wirst drüber hinwegkommen. Denn du bist die Beste. Vor allem für mich.«
»Genial!« Mira kritzelte wild vor sich hin. »Großartig. |270| Wisst ihr was, die Idee gefällt mir – Rachekarten. Auf den Punkt, ohne Wenn und Aber.«
»Fang doch eine neue Serie an«, schlug ich vor. »Denk dir irgendeinen witzigen Namen dafür aus und vergiss die Todesdinger für ’ne Weile. Konzentrier dich drauf, die Leute zu ermutigen und aufzumuntern.«
Mira vollendete ihr Werk mit einem eleganten Schnörkel, drehte die Karte um und signierte die Rückseite. Dann blickte sie mich an. »Du hast vollkommen Recht.« Nach kurzem Nachdenken fuhr sie fort: »Ich weiß auch schon, wie ich die neue Serie nenne!« Aufgeregt spießte sie die Luft zwischen uns mit ihrem Stift auf: »Miras Wunderkarten für gebrochene Herzen. Damit verdiene ich Millionen.«
»Garantiert!« Ich grinste. »Ich wette, es gibt noch viel mehr Menschen
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