Crazy Moon
stoppen.
Morgan überschrie mich: »Bist du fertig, Isabel? Na? Seine Frau war – hier kommt wieder eine Leerzeile. Was steht da? Was?«
Isabel starrte durchs Küchenfenster in den Garten. Ich hörte nichts mehr außer Morgans Atem.
»Mach schon! Sie war – was? Was war sie, Isabel?«
Und Isabel antwortete mit einer Stimme, die so traurig klang, dass sie einem das Herz brechen konnte: »Schwanger. Sie war schwanger.«
Morgan warf die Arme in die Luft. »Das ist richtig! Schwanger! Von ihm! Sie haben gewonnen, Fräulein Isabel: das Sofa, das Auto, das Teeservice. Sie haben alles gewonnen, Isabel, was wir heute zu bieten haben, und noch mehr! Und natürlich das Geld! Gratuliere!« Sie schrie so laut, dass ihre Stimme überschnappte. »Ich gratuliere Ihnen!« Sie machte auf dem Absatz kehrt, rannte |262| durch den Flur zum Schlafzimmer und knallte die Tür so fest hinter sich zu, dass der Boden unter unseren Füßen wackelte.
Ich sah Isabel an.
»Na toll«, meinte sie. »Ich habe gewonnen.«
Wir warteten eine Stunde lang darauf, dass Morgan aus dem Schlafzimmer kam. Und noch eine.
Gegen halb drei nickte ich zum zweiten Mal in dieser Nacht im Sitzen ein. Isabel meinte, ich solle nach Hause gehen.
»Es macht keinen Sinn, dass du weiter hier rumhängst.« Sie stand vom Boden auf, wo sie gehockt hatte. »Ich schlafe auf dem Sofa. Morgen Früh geht es ihr bestimmt wieder besser.« Doch aus dem Blick, den sie beim Sprechen Richtung Schlafzimmertür warf, schloss ich, dass sie sich dessen nicht so sicher war.
»Ich kann gern hier bleiben.«
»Nein.« Isabel lag bereits auf dem Sofa und streckte die Hand aus, um die kleine Lampe auf dem Rollwägelchen auszuknipsen. »Geh jetzt. Bis morgen.«
Ich ging zur Tür und öffnete sie. Von der Veranda aus konnte ich das Licht in meinem Schlafzimmer erkennen. Es schien hell und wartete auf mich.
»He, Colie«, rief Isabel mir nach. Das Zimmer war dunkel, ich konnte sie nicht mehr sehen.
»Ja?«
»Warum warst du überhaupt noch so spät unterwegs?« »Norman hat noch lange an meinem Porträt gearbeitet, aber jetzt ist es fertig.«
»Klasse.« Sie gähnte.
»Er hat mich morgen zu sich zum Essen eingeladen. |263| Wir haben eine Art Date«, sagte ich vorsichtig, als könnte ich es selbst noch nicht glauben.
»Wirklich?« Sie klang wieder etwas wacher. »Um wie viel Uhr?«
»Ich weiß nicht genau. Irgendwann abends.« Norman legte sich nie so genau fest.
»Komm vorher hier vorbei.« Sie drehte sich um, so dass ihre Stimme durchs Sofakissen gedämpft wurde. »Ich helfe dir beim Stylen.«
»Echt?«
»Klar!« Ihre Stimme wurde immer leiser, weil sie beim Reden fast einschlief. »Morgen ist alles wieder gut. Ganz bestimmt.«
Behutsam schloss ich hinter mir die Tür und kroch durch die Hecke in Miras Garten. Auf dem Weg zu meinem Schlafzimmer kam ich an ihrem vorbei; sie hatte Musik gehört und war dabei eingeschlafen. Das Licht brannte, der Kopfhörer – dem natürlich ein Ohrenschützer fehlte – saß auf ihrem Kopf und die Kassette in ihrem Walkman lief noch. Als ich das Gerät umdrehte, um es auszuschalten, sah ich, um welche Kassette es sich handelte. Ich nahm Mira den Kopfhörer ab, deckte sie zu, setzte mir den Kopfhörer selbst auf und schloss die Augen, als ich die Stimme meiner Mutter hörte.
»Ich glaube nicht an Scheitern oder Versagen«, verkündete sie gerade in dem für sie so typischen selbstbewussten, lebhaften Tonfall. »Denn in dem Moment, wo man zugibt versagt zu haben, hat man es schon versucht. Und jeder, der es versucht, der sich anstrengt, ist kein Versager. Meiner Meinung nach scheitern und versagen nur diejenigen, die sich nie bemühen, die es nie versuchen. Diejenigen, die auf ihren Sofas hocken bleiben und |264| schimpfen und jammern und darauf warten, dass die Welt sich für
sie
verändert und nicht umgekehrt.«
Wie oft hatte ich diese Worte schon gehört. Lächelnd trat ich an Miras Schlafzimmerfenster, lauschte meiner Mutter und sah mir dabei den Mond an.
Hell hing er am Himmel, eine gelbliche reife Frucht, die auf mich wartete. Als ich zu dem kleinen weißen Haus rüberblickte, brannte dort das Verandalicht und jemand hockte auf den Stufen, den Kopf in den Händen vergraben, um den Hals einen schmutzig-gelben Lei. Und dieser Jemand wurde genauso von Miras Mond beschienen wie ich.
»Du musst es nur versuchen.« Die Stimme meiner Mutter steigerte sich. »Versuch abzunehmen. Versuch dir ein neues Image zu geben. Versuch zu lieben.
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