Credo - Das letzte Geheimnis
Evolutionsprozesses. In Wirklichkeit existieren sie nicht.
»Es ist also so, wie die Buddhisten glauben – alles nur Illusion?« Ganz und gar nicht. Es gibt eine absolute Wahrheit, eine Realität.Doch selbst ein kurzer Blick auf diese Realität würde einen menschlichen Geist brechen.
Plötzlich erschien Edelstein, der seine Computerkonsole im Stich gelassen hatte, hinter Ford und Mercer.
»Alan, warum verlassen Sie Ihren Posten …?«, setzte Hazelius an.
»Wenn du Gott bist«, sagte Edelstein mit einem halben Lächeln auf dem Gesicht, während er die Hände hinter dem Rücken verschränkte und vor dem Visualizer auf und ab zu gehen begann, »dann sparen wir uns doch die Tipperei. Dann solltest du mich nämlich hören können.«
Laut und deutlich
, kam die Antwort auf dem Visualizer.
»Wir haben irgendwo hier drin ein verstecktes Mikro«, sagte Hazelius. »Melissa, suchen Sie es. Sie müssen es aufspüren.«
»Sicher.«
Edelstein fuhr ungestört fort: »Du sagst ›Alles ist eins‹? Wir haben aber ein Zählsystem: Eins, zwei, drei – damit widerlege ich deine Aussage.«
Eins, zwei, drei … Eine weitere Illusion. Es gibt keine Abzählbarkeit.
»Das ist mathematische Sophisterei«, sagte Edelstein, der nun ärgerlich wurde. »Keine Abzählbarkeit – das habe ich gerade widerlegt, indem ich gezählt habe.« Er hob die Hand. »Ein weiterer Gegenbeweis: Hier zeige ich dir die Ganzzahl Fünf!«
Du zeigst mir eine Hand mit fünf Fingern, nicht die Ganzzahl Fünf. Euer Zahlensystem ist in der wirklichen Welt nicht unabhängig existent. Es ist nichts weiter als eine anspruchsvolle Metapher.
»Ich würde gern deinen Beweis für diese lächerliche Mutmaßung hören.«
Wähle eine zufällige Zahl aus der Reihe der realen Zahlen: Mit Wahrscheinlichkeit eins hast du eine Zahl ausgewählt, die keinenNamen hat, keine Definition, die weder berechnet noch aufgeschrieben werden kann, selbst dann nicht, wenn man das ganze Universum für diese Aufgabe einspannen würde. Dieses Problem erstreckt sich auch auf angeblich definierbare Zahlen wie
Π
oder die Quadratwurzel aus zwei. Selbst mit einer zeitlich unendlichen Berechnung auf einem Computer von der Größe des Universums könntest du keine dieser beiden Zahlen exakt berechnen. Sag mir, Edelstein: Wie kann man dann behaupten, dass solche Zahlen existieren? Wie kann man dann behaupten, dass der Kreis oder das Quadrat, von denen sich diese Zahlen herleiten, existieren? Wie kann dimensionaler Raum existieren, wenn er nicht gemessen werden kann? Du, Edelstein, bist wie ein Affe, der mittels heroischer geistiger Anstrengung dahintergekommen ist, wie man bis drei zählt. Dann findest du vier Kieselsteinchen und glaubst, die Unendlichkeit entdeckt zu haben.
Ford konnte der Argumentation nicht mehr folgen, bemerkte aber erstaunt, dass Edelstein bleich wurde und verstummte, offensichtlich schockiert, als hätte der Mathematiker etwas begriffen, das ihn erschütterte.
»Ach ja?«, rief Hazelius, kam von seinem Podest in der Mitte herunter und stieß Edelstein beiseite. Dann baute er sich unmittelbar vor dem Visualizer auf. »Du schwingst hier schöne Reden und gibst damit an, dass selbst das Wort
Gott
nicht angemessen sei, um deine Grandiosität zu beschreiben. Also schön – dann beweise es. Beweise, dass du Gott bist.«
»Nicht«, sagte Kate. »Verlang das nicht.«
»Warum denn nicht, zum Teufel?«
»Weil du vielleicht bekommst, worum du gebeten hast.«
»Von wegen.« Er wandte sich wieder der Maschine zu. »Hast du mich gehört?
Beweise, dass du Gott bist.
«
Ein Schweigen breitete sich aus, dann erschien die Antwort auf dem Bildschirm:
Konstruiere du den Beweis, Hazelius. Aber ich warne dich, dies ist der letzte Test, mit dem ich mich einverstanden erkläre. Wir haben Wichtigeres zu tun und nur sehr wenig Zeit.
»Schön, du wolltest es so haben.«
»Warte«, sagte Kate.
Hazelius drehte sich zu ihr um.
»Gregory, wenn du das schon tun musst, dann mach es wenigstens richtig.
Es muss eindeutig sein.
Es darf keinerlei Raum für Zweifel oder Zweideutigkeit mehr geben. Frag die Maschine etwas, das nur du selbst weißt –
nur du,
und niemand sonst auf der ganzen Welt. Etwas Persönliches. Dein tiefstes, bestgehütetes Geheimnis. Etwas, das nur Gott – der
wahre
Gott – wissen kann.«
»Ja, Kate. Da hast du recht.« Er überlegte lange und sagte dann leise: »Also gut. Ich hab’s.«
Stille.
Alle hatten ihre Arbeit unterbrochen.
Hazelius wandte sich dem
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