Credo - Das letzte Geheimnis
ist Dunkle Materie überall um uns herum, unsichtbar, sie fließt quasi unbemerkt durch uns hindurch, wie ein Schattenuniversum. Galaxien liegen mitten in riesigen Seen aus Dunkler Materie. Wir wissen nicht, was sie ist, warum es sie gibt, oder wie sie entstand. Da die Dunkle Materie gleichzeitig mit normaler Materie beim Urknall entstanden sein muss, kann ich mit Hilfe von Isabella hoffentlich etwas davon erzeugen.«
»Und Dunkle Energie?«
»Wunderbares, unheimliches Zeug. Neunzehnhundertneunundneunzig fanden Kosmologen heraus, dass irgendein unbekanntes Energiefeld das Universum expandieren lässt, immer schneller, es wird praktisch aufgeblasen wie ein riesiger Luftballon. Dieses Energiefeld haben sie als Dunkle Energie bezeichnet. Niemand hat auch nur die
geringste
Ahnung, was sie ist oder woher sie kommt. Aber sie scheint ziemlich bösartig zu sein.«
Auf der anderen Seite des Tisches schnaubte Wolkonski und höhnte mit schriller Stimme: »Bösartig? Universum ist neutral. Kümmert sich keine Dreck um uns.«
»Tatsache ist«, fuhr Corcoran fort, »dass Dunkle Energie letzten Endes das Universum zerstören wird – beim Endknall.«
»Endknall?« Bisher hatte Ford den Ahnungslosen nur gespielt, doch der Endknall war ihm tatsächlich neu.
»Das ist die jüngste Theorie über das Schicksal des Universums. Ziemlich bald wird sich die Expansion des Universums so stark beschleunigen, dass Galaxien auseinandergerissen werden, dann die Sterne, die Planeten, du und ich – bis hinunter zu den Atomen selbst. Alles weg, mit einem gewaltigen Puff! Die Existenz selbst ist dann zu Ende. Ich habe den Wikipedia-Artikel darüber verfasst. Sieh ihn dir mal an.«
Sie trank einen weiteren Schluck, und Ford bemerkte, dass sie nicht die Einzige war, die sich den Wein schmecken ließ. Die Gespräche um sie herum waren immer lauter geworden, und ein halbes Dutzend leerer Flaschen stand auf dem Tisch.
»Sagtest du gerade ›ziemlich bald‹?«
»Es wird höchstens noch zwanzig bis fünfundzwanzig Milliarden Jahre dauern.«
»
Bald
ist Frage von Perspektive«, warf Wolkonski mit heiserem Lachen ein.
Corcoran sagte: »Wir Kosmologen betrachten alles auf lange Sicht.«
»Und wir Computerwissenschaftler kurze. Millisekunde kurze.«
»Millisekunden?«, bemerkte Thibodeaux verächtlich. »In der Quantenelektrodynamik habe ich es mit Femtosekunden zu tun.«
Hazelius kam mit einer Servierplatte herein, auf der sich gegrillte Filetsteaks türmten. Unter anerkennendem Gemurmel stellte er sie auf den Tisch.
Hinter ihm erschien Kate Mercer mit einer großen Schüssel Pommes frites. Ohne in Fords Richtung zu blicken, stellte sie sie ab und verschwand wieder in der Küche.
Nichts, was Ford sich ausgemalt hatte, hätte ihn hierauf vorbereiten können – den ersten Blick auf sie, seit sie sich getrennt hatten. Mit fünfunddreißig war sie sogar noch schöner, als sie es mit dreiundzwanzig gewesen war – nur ihre lange, wilde schwarze Mähne war einer schicken Kurzhaarfrisur gewichen. Die immer etwas schlampige Studentin in Jeans und übergroßen Männerhemden war erwachsen geworden. Vor zwölf Jahren hatte er sie zuletzt gesehen – aber es fühlte sich an, als seien nur ein paar Tage vergangen.
Er bekam einen Stups in die Rippen, wandte sich um undbemerkte, dass Corcoran ihm die Steakplatte hinhielt. »Ich hoffe doch, du bist kein Vegetarier, Wyman.«
»Ganz und gar nicht.« Er suchte sich ein bluttriefendes Stück aus, reichte die Platte weiter und bemühte sich, ganz entspannt zu wirken. Kates Erscheinen hatte ihn aus der Fassung gebracht.
»Glaub ja nicht, dass wir jeden Abend so ein Festmahl bekommen«, sagte sie. »Das ist nur zur Feier deiner Ankunft.«
Ein Löffel klingelte auf Glas, und Hazelius stand mit erhobenem Weinglas auf. Die Gespräche verstummten.
»Ich habe eine kleine Willkommensansprache vorbereitet …« Er blickte sich um. »Wo steckt denn bloß unsere stellvertretende Leiterin?«
Die Küchentür ging auf, Kate eilte heraus und setzte sich hastig neben Ford, den Blick starr auf die Tischplatte gerichtet.
»Wie ich gerade sagte, möchte ich das neueste Mitglied unseres Teams ganz herzlich willkommen heißen: Wyman Ford.«
Ford schaute weiterhin Hazelius an und betrachtete nur aus den Augenwinkeln Kates schlanke Gestalt neben sich, spürte die Wärme ihres Körpers, roch ihren Duft.
»Wie die meisten von Ihnen bereits wissen, ist Wyman Ethnologe, das heißt, sein Fachgebiet ist die menschliche Natur –
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