Credo - Das letzte Geheimnis
korrekt.«
Corcoran wandte sich Ford zu. »Er kann nichts dafür. Er hat seinen Doktor in Verarschen gemacht.«
Noch so eine geladene Beziehung
, dachte Ford. Er würde aufpassen müssen, nicht ins Kreuzfeuer zu geraten, bis er herausgefunden hatte, wie alle hier zueinander standen.
Wolkonski sagte: »Ich glauben, Melissa zu gut von die Wein getrunken heute Abend. Wie immer.«
»Joo, natürrrlick«, schnarrte sie, eine treffende Imitation von Wolkonskis starkem Akzent. »Liebärrr ich saufen Wodka wie du mittän in Nacht!« Sie hob das Glas, rief »Prrrost!« und kippte den Rest ihres Weins herunter.
»Wenn ich kurz unterbrechen darf«, begann Innes mit glatter, professioneller Stimme. »Es ist zwar gut, Gefühle offen zu zeigen, aber ich würde vorschlagen …«
Hazelius brachte ihn mit einem Wink zum Schweigen und blickte ruhig zwischen Wolkonski und Corcoran hin und her; der Druck dieses Blicks bewirkte augenblickliches Schweigen. Wolkonski lehnte sich mit zuckendem Mundwinkel zurück. Corcoran verschränkte die Arme vor der Brust.
Hazelius ließ das Schweigen unangenehm werden, ehe er sagte: »Wir sind alle ein bisschen übermüdet und niedergeschlagen.« Seine Stimme war leise und verständnisvoll. In der Stille knackte das Feuer. »Nicht wahr, Peter?«
Wolkonski sagte nichts.
»Melissa?«
Ihr Gesicht war rot. Sie nickte knapp.
»Lassen Sie es einfach gut sein … Immer mit der Ruhe … Seien Sie nachsichtig und verzeihen Sie einander … Um unserer gemeinsamen Arbeit willen.«
Seine Stimme war sanft, beruhigend, der Rhythmus beinahe hypnotisch – wie ein Trainer, der ein nervöses Pferd besänftigte. Im Gegensatz zu Innes’ Stimme war darin kein Anklang von Herablassung zu hören.
»So ist es«, mischte Innes sich ein, und seine Stimme l ieß die außergewöhnliche Ruhe zerplatzen, die Hazeliusgeschaffen hatte. »Ganz genau. Das war eine gesunde Aussprache. Wir können diese Themen bei unserer nächsten Gruppensitzung aufgreifen. Wie gesagt, es ist gut, so etwas offen anzusprechen.«
Wolkonski stand so abrupt auf, dass sein Stuhl hintenüberkippte. Er knüllte die Serviette zusammen und schleuderte sie auf den Tisch. »Scheiß auf Gruppensitzung. Ich muss arbeiten.«
Die Tür knallte hinter ihm zu.
Niemand sprach. Das einzige Geräusch im Saal war ein leises Rascheln von Papier, als Edelstein, der mit dem Essen fertig war, eine weitere Seite von
Finnegans Wake
umblätterte.
8
Pastor Russ Eddy trat aus dem Wohnwagen, warf sich ein Handtuch über die knochigen Schultern und blieb auf dem Hof stehen. Über der Mission war ein strahlender, klarer Montag heraufgezogen. Die aufgehende Sonne tauchte das sandige Tal in goldenes Licht und färbte auch die Äste der abgestorbenen Pappel neben seinem Trailer. Am Horizont ragte die gigantische Red Mesa wie eine Feuersäule in der frühen Morgensonne auf.
Er blickte zum Himmel auf, legte die Handflächen aneinander, verneigte sich und sagte mit klarer, kraftvoller Stimme: »Ich danke Dir, Herr, für diesen Tag.«
Nach einem Augenblick des Schweigens schlurfte er zu der Wasserpumpe in seinem Vorgarten und hängte das Handtuch über einen Pfosten, an dem man in früheren Zeiten die Pferde angebunden hatte. Energisch betätigte er ein gutes Dutzend Mal den Pumpschwengel. Ein Strom kalten Wassers ergoss sich in eine Zinkwanne. Russ klatschte sich eine Handvoll Wasser ins Gesicht, tauchte ein Stück Seife in die Wanne, seifte sich ein, rasierte sich und putzte sich die Zähne. Er wusch sich Gesicht und Arme, spritzte sich Wasser auf die eingesunkene Brust, nahm das Handtuch vom Pfosten und rubbelte sich trocken. Dann inspizierte er sich in dem Spiegel, der an einem rostigen Nagel an einem Zaunpfahl hing. Sein Gesichtwar dünn, und von seinem Kopf standen schüttere Haarbüschel ab. Er verabscheute seinen Körper; er sah aus wie ein zittriger kleiner Vogel. Vor langer Zeit hatte der Arzt seiner Mutter erklärt, das sei eine »Gedeihstörung«. Die Andeutung, seine körperliche Schwäche sei irgendwie seine Schuld, er sei schlicht »gestört«, schmerzte heute noch.
Sorgfältig kämmte er sein bisschen Haar über die kahlen Stellen und zog eine Grimasse, um sich seine krummen Zähne anzusehen, die richten zu lassen er sich nie leisten konnte. Aus irgendeinem Grund erinnerte ihn das an seinen Sohn Luke – er müsste jetzt elf sein –, und der Schmerz wurde tiefer. Er hatte Luke seit sechs Jahren nicht mehr gesehen, genauso lange, wie er die
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