Credo - Das letzte Geheimnis
den Sattelknauf und war froh, dass ihn niemand sehen konnte, denn er musste einen lächerlichen Anblick bieten. Gegen ein Uhr ragte der Nakai Rock vor ihm auf, und die felsigen Hügel rund um das Tal kamen in Sicht. Als er in das Pappelwäldchen hinunterritt, hörte er ein heiseres Lachen und sah eine Gestalt, die schnell und offenbar wütend von Isabella zur Siedlung lief.
Es war Wolkonski, der Computerprogrammierer. Sein langes, fettiges Haar war zerzaust. Er sah abgehärmt und zornig aus, grinste aber zugleich wie ein Irrer.
Ford ließ Ballew anhalten, stieg rasch ab und benutzte das Pferd dazu, den Weg zu versperren.
»Hallo.«
»Darf ich?«, sagte Wolkonski und versuchte, sich vorbeizudrücken.
»Schöner Tag, meinen Sie nicht?«
Wolkonski blieb stehen und starrte ihn mit zorniger Belustigung an. »Sie fragen: Ist das schöner Tag? Und ich antworte Ihnen: Nie bessere Tag geben!«
»Tatsächlich?«, fragte Ford.
»Und was gehen Sie an, Ethnologe?« Er warf den Kopf zurück und bleckte die bräunlichen Zähne zu einer Grimasse aufgesetzten Humors.
Ford trat so dicht an den Russen heran, dass er ihn hätte berühren können. »So, wie Sie aussehen, würde ich vermuten, dass Sie alles andere als einen schönen Tag hatten.«
Wolkonski legte Ford in gespielter Freundlichkeit eine Handauf die Schulter und beugte sich vor. Eine Alkoholfahne und der Dunst von Zigaretten hüllten Ford ein. »Vorher ich Sorgen machen. Jetzt mir geht gut!« Er warf den Kopf zurück und brüllte vor heiserem Lachen; sein unrasierter Adamsapfel hüpfte auf und ab.
Hinter ihnen waren Schritte zu hören. Wolkonski richtete sich abrupt auf.
»Ah, Peter«, sagte Wardlaw, der den Pfad entlang auf sie zukam. »Und Wyman Ford.
Seid gegrüßt
.« Seine angenehme Stimme, die seltsam ironisch klang, legte besondere Betonung auf die letzten Worte.
Wolkonski zuckte zusammen.
»Kommen Sie aus dem Bunker, Peter?« Wardlaws Worte wirkten drohend.
Wolkonski behielt sein irres Grinsen bei, doch Ford sah nun Verlegenheit in seinem Blick – oder war es Angst?
»Das Sicherheitslogbuch sagt aus, dass Sie die ganze Nacht lang dort drin waren«, fuhr Wardlaw fort. »Ich mache mir Sorgen um Sie. Ich hoffe, Sie bekommen trotzdem genug Schlaf, Peter.«
Stumm ging Wolkonski an ihm vorbei und marschierte steif den Weg entlang davon.
Wardlaw wandte sich Ford zu, als sei nichts Ungewöhnliches geschehen. »Schöner Tag für einen Ausritt.«
»Darüber hatten wir uns gerade unterhalten«, bemerkte Ford trocken.
»Wo waren Sie denn?«
»Ich bin nach Blackhorse geritten, um den Medizinmann kennenzulernen.«
»Und?«
»Ich habe ihn kennengelernt.«
Wardlaw schüttelte den Kopf. »Dieser Wolkonski … regt sich ständig über irgendetwas auf.« Er ging einen Schritt weiterund blieb dann erneut stehen. »Er hat nichts gesagt, was Ihnen …
seltsam
vorkam, oder?«
»Zum Beispiel?«, fragte Ford.
Wardlaw zuckte mit den Schultern. »Wer weiß? Der Mann ist nicht ganz richtig im Kopf.«
Ford beobachtete, wie Wardlaw weiterging, die fleischigen Fäuste in die Taschen gestopft – wie die anderen stand auch dieser Mann offenbar kurz vor dem Zusammenbruch, er war nur viel besser darin, das zu verbergen.
11
Eddy stand vor seinem Wohnwagen, ein Glas kaltes Wasser in der Hand, und sah zu, wie die Sonne hinter dem fernen Horizont versank. Lorenzo war nirgends zu sehen – er war irgendwann gegen Mittag verschwunden, ebenso lautlos, wie er gekommen war, und ohne seine Arbeit beendet zu haben. Ein Haufen unsortierter Kleidung lag auf einem Tisch, und der Sand um die Kirche herum war nicht mit dem Rechen geglättet. Eddy starrte auf den Horizont, innerlich glühend vor Ärger. Er hätte sich nie bereit erklären sollen, Lorenzo einzustellen. Der junge Mann hatte im Gefängnis gesessen, wegen fahrlässiger Tötung – die Verteidigung hatte das Gericht von Mord so weit heruntergehandelt. Er hatte bei einer Prügelei im Suff jemanden erstochen, in Gallup. Und dafür nur achtzehn Monate abgesessen. Eddy war nur bereit gewesen, ihn einzustellen, weil die Familie, die in der Nähe wohnte, ihn darum gebeten hatte, damit der junge Mann die Bewährungsauflagen erfüllen konnte.
Schwerer Fehler.
Eddy trank noch einen Schluck kaltes Wasser, als könnte es ihm helfen, den heißen Groll und die Wut zu kühlen, die in ihm kochten. Er hatte noch nichts von dem Händler in Blue Gap gehört, aber er zweifelte nicht daran, dass der sich bald melden würde. Dann würde er
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