Credo - Das letzte Geheimnis
Computer?«
Mit Rechenoperation meine ich Denken. Die gesamte Existenz, alles, was geschieht, ist ein Denkprozess Gottes. Ein fallendes Blatt, eine Welle am Strand, der Kollaps eines Sterns – alles nur ich, alles Gott, der denkt.
»Ich hab ihn!«, rief Chen triumphierend.»Ich habe – Moment mal! Was zum Teufel …?«
»Was denkst du gerade?«
, tippte Ford ein.
Dolby bäumte sich ein letztes Mal auf, riss sich von Hazelius los und warf sich auf die Konsole.
»Nein!«, kreischte Hazelius.»Nicht abschalten! Warten Sie!«
Dolby lehnte sich keuchend zurück.»Abschaltsequenz eingeleitet.«
Das summende Geräusch, das den Raum erfüllte, wurde leiser, der Bildschirm vor Ford flackerte, und die Worte lösten sich auf. Er erhaschte noch einen kurzen Blick auf eine unheimliche Gestalt, die aufflatterte und dann als Pünktchen im Zentrum des Bildschirms verschwand, dann wurde alles dunkel.
Hazelius zuckte mit den Schultern, strich seine Kleidung glatt, bürstete sich den Staub von den Schultern und wandte sich dann mit ruhiger Stimme an Chen.»Rae? Haben Sie ihn gefunden?«
Chen starrte ihn mit ausdrucksloser Miene an.
»Rae?«
»Ja«, sagte sie langsam.»Ich habe ihn.«
»Und? Von welchem Prozessor kommt das Zeug?«
»Von keinem.«
Schweigen breitete sich im Kontrollraum aus.
»Was soll das heißen,
von keinem?
«
»Es kam von K-Null selbst.«
»Was reden Sie denn da?«
»Genau so war es. Der Output kam direkt aus dem Raum-Zeit-Loch bei K-Null.«
Im schockierten Schweigen blickte Ford sich nach Kate um. Sie stand ganz allein und sehr still am hinteren Ende der Brücke. Rasch ging er zu ihr hinüber und sagte leise zu ihr:»Kate? Alles in Ordnung?«
»Es wusste es«, flüsterte sie mit gespenstisch blassem Gesicht.»
Es wusste alles
.« Ihre Hand tastete nach seiner und schloss sich zitternd darum.
27
Eddy trat aus seinem Trailer, das Handtuch über der Schulter, die Rasiertasche in der Hand, und starrte auf die Kisten voll unsortierter Kleidung, die während der Woche gekommen waren. Nach seiner mitternächtlichen Fahrt auf die Mesa hatte er nicht schlafen können und fast die ganze Nacht im Internet verbracht, in den christlichen Chatrooms.
Er zog ein paar Mal am Pumpschwengel, fing das kalte Wasser mit der Hand auf und klatschte es sich ins Gesicht, um durch den Schreck ein wenig wacher zu werden. Vor lauter Müdigkeit hatte er ein ständiges Summen im Kopf.
Er seifte sich ein, rasierte sich, säuberte die Klinge in der Waschschüssel und kippte das Wasser in den Sand. Er sah zu, wie es versickerte und kleine Schaumklümpchen an der Oberfläche zurückließ. Plötzlich erinnerte ihn das an Lorenzos Blut. Mit einem Gefühl der Panik trampelte er innerlich auf dem Bild herum, um es zu vertreiben. Gott hatte Lorenzo bestraft – nicht er. Es war nicht seine Schuld – es war Gottes Wille. Gott tat niemals etwas ohne Grund. Und dieser Grund hatte etwas mit dem Isabella-Projekt zu tun – und mit Hazelius.
Hazelius.
In Gedanken durchlebte er die gestrige Begegnung noch einmal. Er errötete bei der Erinnerung, und seine Hände begannen zu zittern. Immer wieder formulierte er sich vor, was er noch alles hätte sagen können; bei jedem Durchgangwurde seine Ansprache länger, eloquenter und inbrünstiger, befeuert von gerechtem Zorn. Vor aller Augen hatte Hazelius ihn als Insekt bezeichnet, als Bakterium – weil er ein Christ war. Der Mann war ein Exempel für alles, das in Amerika schieflief, ein Hohepriester im Tempel des säkularen Humanismus.
Eddys Blick huschte zu den Kisten hinüber, die vorgestern eingetroffen waren. Da Lorenzo nicht mehr da war, hatte er viel mehr Arbeit als sonst. Donnerstag war der»Kleidertag«, an dem er die gespendeten Altkleider an die Indianer verschenkte. Über das Internet hatte Russ eine Abmachung mit einem halben Dutzend Kirchengemeinden in Arkansas und Texas geschlossen, die gebrauchte Kleidung sammelten und ihm schickten, damit er sie an die bedürftigen Familien verteilen konnte.
Mit seinem Taschenmesser schlitzte Eddy die erste Pappkiste auf und begann, den mageren Inhalt zu sortieren. Er holte hier eine Jacke heraus, dort eine Jeans, und hängte die Sachen an Kleiderständer oder legte sie auf den Kunststofftischen im Schatten des Heuschuppens aus. Eifrig arbeitete er in der morgendlichen Kühle, sortierte, hängte auf, faltete zusammen. Der gewaltige Umriss der Red Mesa ragte im Hintergrund auf und waberte violett im Morgenlicht. Eddys Gedanken kreisten
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