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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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kann.«
    Amelia legte Nightingale eine Hand auf den Arm.
    »Die Menschen sind verschieden, Louise. Für mich war jener Sommer ein Segen. Für Sie wäre er vielleicht ein Fluch gewesen, aber ich fände diese Sichtweise traurig. Das bedeutet doch, dass man sein Leben lang allen Freuden aus dem Weg geht, nur damit man nicht leidet, wenn man sie wieder verliert. Möchten Sie wirklich so leben?«
    Nightingale versuchte, Amelias letzte Worte zu vergessen. Bis zum Nachmittag war sie hier zufrieden gewesen. Ihr Rückzug, der als Flucht begonnen hatte, war zu einem Neuanfang geworden. Diese neu gewonnene Zufriedenheit war jetzt in Frage gestellt, und sie musste unweigerlich an Fenwick denken. Sie fragte sich, was er wohl machte. War er immer noch mit dieser Claire Keating zusammen? Dachte er manchmal an sie, Louise?
    Der Abend dämmerte, aber sie war noch immer zu rastlos, um sich schlafen zu legen, und streifte stattdessen durchs Haus. Mit einer Taschenlampe bewaffnet, stieg sie die schiefe Treppe hoch, die von der Küche in den oberen hinteren Teil des Hauses führte. Schatten huschten vor ihr über die Wand, bis das Licht auf den Geländerpfosten fiel, den ein entfernter Vorfahre von ihr in irgendeinem langen Winter mit Schnitzereien verziert hatte. Die geschnitzten Gesichter waren grob gestaltet und übereinander angeordnet wie bei einem Totempfahl.
    Ohne nachzudenken, berührte sie die Nase in jedem Gesicht und flüsterte das Losungswort, das sie sich als Kind zum Schutz ausgedacht hatte.
    Ein guter Orientierungssinn war schon erforderlich, um sich hier oben zurechtzufinden. Angeblich hatten Besucher früher um Hilfe gerufen, weil sie das Bad nicht finden konnten, obwohl sie keine vier Schritte davon entfernt waren. Die Küchentreppe hatte Nightingale direkt in den ehemaligen Bedienstetenraum gebracht, zwei kleine Zimmer, aus denen eins gemacht worden war.
    Auf den ersten Blick hatte es den Anschein, als sei der Raum mit dem kleinen Flur davor völlig getrennt vom Rest des Hauses, doch Nightingale wusste, dass es eine Verbindung gab. In dem Mansardenzimmer, wo sie als Kind geschlafen hatte, gab es in der Wand eine niedrige Klappe, die man übertapeziert hatte und die darum kaum zu erkennen war. Durch sie gelangte man zum Dach über dem Melkhaus.
    Nightingale betrat ihr altes Schlafzimmer und öffnete die Klappe zu dem verborgenen Gang, der zwischen Dachschräge und Wand verlief. Er war dunkel und unheimlich, und da sie ihre Sonntagssachen trug, schloss sie die Klappe gleich wieder und schob das Bett davor. Ihre Erkundungslaune war verflogen, und sie suchte sich ein Buch, ging ins Bett und las, bis sie einschlief.
    Das warme Wetter, das am Sonntag eingesetzt hatte, verwandelte sich in eine brütende Hitze. Statt am Montag in die Stadt zu fahren, arbeitete sie im Garten, las und sonnte sich nackt, bis sie es vor Hitze nicht mehr aushielt und im Meer schwimmen ging. Den Rest der Woche verbrachte sie nach demselben Muster und war erstaunt, wie gut es ihr tat, die Zeit zu vertrödeln.
    Die Idylle fand ein Ende, als ihr am Freitag die Lebensmittel ausgingen und sie das Bedürfnis verspürte, mal wieder unter Leute zu kommen. Sie fuhr nach Clovelly, um irgendwo etwas zu trinken. Im Zentrum fand sie einen netten Pub mit einem Gewimmel von Touristen davor, die draußen in der Sonne ihr Bier tranken. Entsprechend leer war es drinnen, wie sie erfreut feststellte, nachdem sie sich einen Weg durch das Gedränge vor der Tür ins düstere Innere gebahnt hatte. Eine dunkle Eichentheke verlief im Bogen zu einem Buntglasfenster. Zwei ältere Männer, ihrem selbstbewusst-neugierigen Blick nach zu urteilen Einheimische, saßen an einem Tisch vor dem Fenster und spielten Domino.
    Der Wirt, der mit dem Rücken zu ihr ein Glas polierte, drehte sich erst um, als die Tür zufiel.
    »Guten Tag, was … Das gibt’s doch gar nicht! Seit wann sind Sie denn wieder hier?«
    Nightingale trat mit einem erstaunten Lächeln näher. Als das Licht vom Fenster auf ihr Gesicht fiel, verwandelte sich die verblüffte Miene des Mannes in Verwirrung.
    »Oh Entschuldigung, ich hab Sie verwechselt.«
    »Mit wem denn?«, fragte sie schmunzelnd.
    »Egal. Jemand von früher, ist lange her. Sie sind ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.«
    Einer von den Domino-Spielern am Fenster blickte auf und nickte.
    »Und ob«, sagte er und wandte sich wieder dem Spiel zu. Doch Nightingale spürte weiterhin ihre Blicke auf sich.
    »Ein kleines Glas Cider, bitte.«
    Sie trank ihren

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