Crescendo
darauf brannte, Superintendent Quinlan mal ordentlich die Meinung zu Inspector Blite zu geigen, aber Cooper hatte Recht. Er war weit weg, aus den Augen, aus dem Sinn, und Blite würde einfach nur behaupten, die Ermittlungen gingen voran.
»Also gut. Ich rufe später nochmal an, aber lassen Sie mich um Gottes willen nicht hängen.«
Je weiter sie nach Süden fuhren, desto mehr Wolken tauchten am Himmel auf. Die Hitze wurde drückend, und er kurbelte das Fenster runter, hielt das Gesicht in den Fahrtwind wie ein Hund. Nach zwei Stunden machten sie Rast, um etwas zu essen. Trotz des fünften Kaffees an diesem Tag wurde Fenwick schläfrig, sobald er gegessen hatte, doch MacIntyre war hellwach und wissbegierig.
Er fragte Fenwick detailliert aus, wollte wissen, warum er so hartnäckig darauf bestanden hatte, Smiths Vergangenheit so genau zu durchleuchten. Warum hatte er das alte Haus der Familie aufgesucht? Warum hatte er Robyn Powell beauftragt, die Akten alter Fälle durchzusehen, warum gerade diese Fälle? Fenwick fand es ermüdend. Um MacIntyres Verhör zu beenden, sagte er ungeduldiger, als er eigentlich wollte:
»Hören Sie, ich weiß nicht, warum ich sein Elternhaus unbedingt finden wollte oder warum ich denke, dass seine Eltern vermutlich tot sind und sich nicht einfach verdünnisiert haben. Es ist doch wohl logisch, dass man so viel wie möglich über einen Verdächtigen herausfinden will, oder etwa nicht? Ich gehe nur noch weiter zurück und grabe tiefer, mehr nicht.«
Als sie erneut hielten, weil der Fahrer zur Toilette musste, und MacIntyre wieder zu einer Frage ansetzen wollte, herrschte er ihn an, denn er war zu müde, um seine Gereiztheit noch zu beherrschen.
»Ich habe wirklich nichts gegen genaues Nachfragen, Neugier ist völlig in Ordnung, aber ich habe das unbestimmte Gefühl, dass ich etwas an mir habe, das Sie nervös macht. Spucken Sie’s einfach aus. Ihr Kreuzverhör und Ihre durchdringenden Blicke gehen mir auf die Nerven.«
Wenn er geglaubt hatte, MacIntyre würde wütend reagieren, so hatte er sich geirrt. Der Superintendent lachte bloß.
»Meine Güte, was sind Sie für ein Sensibelchen! Die Wahrheit ist, Sie sind ein ziemlich seltsamer Detective. Kein Wunder, dass Harper-Brown Sie nicht leiden kann.«
Fenwick öffnete den Mund, ob zum Widerspruch oder vor Verblüffung darüber, dass sein nicht gerade gutes Verhältnis zu seinem Oberboss ein offenes Geheimnis war, hätte er selbst nicht sagen können.
»Kommen Sie runter von Ihrem hohen Ross. Sie müssen mit diesem aufgeblasenen Getue aufhören, Andrew, das ist Ihr unsympathischster Zug. Hören Sie, ich hab in London und vorher in Schottland schon mit allen möglichen Menschen zusammengearbeitet, aber noch nie mit so einem wie Ihnen.
Sie sind enervierend logisch, aber auf der anderen Seite haben Sie Intuition. Sie haben eine komplizierte Ermittlungsstrategie im Kopf, als wäre es ein Kartenspiel, und gleichzeitig bestehen Sie darauf, dass offensichtliche Nebenaspekte eines Falles haarklein untersucht werden. Und Professor Ball hat Ihren ausgeprägten ›empathischen Instinkt‹ betont – gucken Sie nicht so böse, das hat sie gesagt, nicht ich. Ob Ihnen das nun gefällt oder nicht, Sie sind anders. Sie kombinieren Intellekt und Intuition. Das ist ungewöhnlich, und es ist auch beunruhigend, zumal Sie nicht den geringsten Hehl daraus machen. Die meisten klugen Menschen wissen, dass sie nicht zu clever wirken dürfen. Ihnen scheint das völlig egal zu sein.«
Fenwick tat das, was er immer tat, wenn ihm die Worte fehlten, nämlich unverbindlich die Achseln zucken. Er tat so, als suche er eine Flasche Wasser, und konzentrierte sich dann darauf, den komplizierten Sportscap-Verschluss aufzubekommen. MacIntyre ließ sich nichts vormachen.
»Was meinen Sie eigentlich, warum Sie noch immer Chief Inspector sind? Ich bin in Ihrem Alter, und ich bin Superintendent, und das nicht unbedingt, weil ich besser bin als Sie. Warum hat es bei Ihnen nicht geklappt?«
Nochmaliges Achselzucken. »Hat sich einfach nicht ergeben.«
Er sah sich um, hielt sehnsüchtig nach dem Fahrer Ausschau.
»Das kauf ich Ihnen nicht ab. So viel fehlender Ehrgeiz ist unglaubwürdig.«
Fenwick holte tief Luft und versuchte, seinen Tonfall zu beherrschen.
»In der Zeit, als ich an meine Karriere hätte denken sollen, standen für mich andere Dinge im Vordergrund.«
»Sie meinen die Krankheit Ihrer Frau. Ja, das habe ich in Ihrer Personalakte gelesen. Damals mag
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