Crescendo
besessen von dieser Idee?«
»Ich war besessen davon, Smith zu finden. Das hat uns nicht gerade geschadet. Also bitte.«
Er wandte sich ab, ehe sein Temperament mit ihm durchging. Er sah einen Pfad, kalkweiß im Mondlicht, und ging ihn entlang, während er im Geist beißende Kommentare formulierte, ohne auf seine Umgebung zu achten. Als er das Ufer des Sees erreichte, blieb er überrascht stehen. Das Wasser lag glatt und wie tot vor ihm. Es war irgendwie unheimlich, und ihn schauderte. Er fühlte sich plötzlich sehr allein hier draußen, als lauerten Ungeheuer mit schleimigen, schwarzen Tentakeln nur darauf, ihn in die Tiefe zu zerren.
Die Lichter der Hubschrauber glitten in der Ferne über die Berge, und ihm wurde bewusst, dass ein Mann allein hier draußen am See eine Suchaktion auslösen könnte, also ging er zurück. Cave und MacIntyre warteten schon auf ihn.
»Da sind Sie ja! Wo waren Sie denn?«
»Ich hab nachgedacht.« Das war zwar nicht wahr, aber er fand, »geschmollt« wäre ein unnötiges Eingeständnis gewesen.
»Und?« Wollte MacIntyre ihn provozieren?
»Also schön. Folgendes steht als Nächstes an: die Fingerabdrücke vom Messer mit denen im Haus vergleichen …«
»Schon in Arbeit.« Cave schwenkte eine Liste, die er in der Hand hielt.
»Die Bissspuren an Ginny mit denjenigen vergleichen, die Tasmin und Lucinda beigebracht wurden.«
»Die Spurensicherung in London nimmt sich das als Erstes vor, morgen früh müssten wir die Ergebnisse haben.«
»Spurensuche rund ums Haus. Was für ein Fahrzeug ist er gefahren?« Cave nickte, hatte aber seinen eigenen Notizen noch nichts hinzugefügt.
»Suche nach Wendy Smith. Sie könnte uns zu ihm führen. Und weiterhin die Adresse beobachten, an die Griffiths geschrieben hat.«
»Bringt das denn was?« MacIntyre versuchte gar nicht erst, seine Skepsis zu verbergen. »Smith ist doch unabhängig. Diese Briefe von Griffiths sind ihm völlig egal.«
»Vielleicht, aber die beiden waren Verbündete, und er hat sich die Mühe gemacht, Kontakt zu ihm herzustellen. Ich denke, es ist einen Versuch wert. Und wir sollten die Videobänder von dem Prozess gegen Griffiths zu Ende durchsehen, vielleicht finden wir eine gute Aufnahme von ihm. Die könnten wir zusätzlich zu dem Phantombild verwenden, das Sie schon landesweit veröffentlicht haben.« MacIntyre nickte. »Ein Letztes. Da unten ist ein See, ganz nah. Vielleicht sollte man den nach der Mordwaffe absuchen.«
Diesmal machte sich Cave eine Notiz, aber Fenwick sah, dass sie ganz am Ende einer langen Liste stand.
Es war schon vier Uhr vorbei, als sie in dem schicken Hotel ankamen, wo man Zimmer für sie reserviert hatte. Fenwick war noch immer hellwach, aber er sagte sich, es wäre gut, ein paar Stunden zu schlafen. Er duschte und legte sich dann nackt ins Bett, versuchte, die ersten zwitschernden Klänge des morgendlichen Chors vor dem Fenster zu überhören.
Vor der Dunkelheit seiner geschlossenen Augenlider blitzten immer wieder Bilder der letzten Tage, wie eine zusammenhanglose Diashow. Ginnys Elternhaus, die tote Ginny, das zerschlagene Fenster. Rote Blutstropfen wurden zu den Stecknadelköpfen auf Robyns Karte. Das Ferienhaus, warm und bewohnt, Smiths Geruch noch in den Räumen, blutige Kleidung von seinem letzten Mord im Wäschekorb. Er dachte an Nightingale, an das letzte Mal, als er sie gesehen hatte, blass, überlastet, zu dünn. Und er dachte an Claires überraschende Offenbarung. Schuldgefühle, weil er Nightingale vertrieben hatte, mischten sich mit seiner Reue wegen Ginnys Tod. MacIntyre oder Cave konnten sagen, was sie wollten, er fühlte sich verantwortlich. Von den an diesem Fall beteiligten höheren Beamten war er der einzige, der gewusst hatte, dass Täter B zurückkehren würde. Er hätte hier bleiben sollen, um sie zu schützen. Wenn er Nightingale auch nicht retten könnte … Er verbot sich den Gedanken.
Anscheinend war er irgendwann doch eingeschlummert, denn sein Wecker riss ihn um sieben Uhr aus dem Schlaf. Er fühlte sich wie gerädert, duschte erneut und hinterließ dann in Harlden eine Nachricht für Quinlan, ihn sofort anzurufen, sobald er ins Büro kam. Ein üppiges englisches Frühstück mit viel Kaffee brachte ihn wieder einigermaßen in Schwung. Als er MacIntyre traf, fühlte er sich schon nicht mehr wie ein alter Mann.
Im Auto riefen sie beide ihre Mailbox an. Knotty hatte sich noch nicht gemeldet, und Fenwick hinterließ ihm eine dringende Nachricht.
»Wir fahren
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