Crescendo
noch zu große Bedenken. Warum?«
»Rein interessehalber.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, ließ sie das Telefonat noch einmal Revue passieren. War Griffiths der anonyme Anrufer? Wenn ja, dann musste er unerlaubten Zugang zu einem Telefon haben, und zwar Tag und Nacht, und das war unmöglich. Er konnte es nicht sein.
»Aufwachen, Nightingale, Ihr Typ wird verlangt.« Ein Papierkügelchen prallte harmlos von ihrem Kopf ab. Detective Sergeant Randall schüttelte den Kopf. »Sie sollten vor fünf Minuten in einer Besprechung sein.«
Nightingale blickte auf ihre Uhr, fünf nach drei. Sie hatte kurz nach zwei den Hörer aufgelegt und konnte sich nicht erinnern, seitdem irgendetwas getan zu haben. Eine ganze Stunde futsch! Sie schnappte sich ihr Notizbuch und lief aus dem Zimmer.
Sergeant Cooper war schlecht gelaunt, was immer öfter der Fall war. Seit rund einem Jahr war Detective Inspector Blite bei den schwereren Fällen sein direkter Vorgesetzter, ein Mann, dem er kaum noch mit Höflichkeit, geschweige denn mit Respekt begegnen konnte. Kaum war D.C.I. Fenwick an die Londoner Polizei ausgeliehen worden, hatte Blite sich in einem Anfall von Selbstüberschätzung eingebildet, er könne Fenwicks Platz einnehmen. Nach Coopers Meinung reichte Blites Arroganz zwar für zwei, doch sein Talent nur für einen halben Mann. Cooper hielt Blite für ein As, wenn es ums Speichellecken und Arschkriechen ging, aber als Polizist war er eine Null.
Blite brüstete sich damit, der erfolgreichste Ermittler der Abteilung zu sein, wofür Harper-Brown ihn mit Lob überschüttete. Die Leute in seinem Team jedoch litten unter dem Druck, den er ausübte, und unter den Überstunden, die er ihnen abverlangte. Zur Zeit arbeiteten sie an einer Serie von brutalen Raubüberfällen in einer heruntergekommenen Siedlung. Blite war davon überzeugt, dass die Überfälle mit Drogenkriminalität zu tun hatten, aber Cooper bezweifelte das. Sein Instinkt sagte ihm, dass es sich bei den Tätern um eine Bande Jugendlicher handelte, denen es einfach Spaß machte, Leute zu überfallen und zusammenzuschlagen, die schwächer waren als sie.
»So, alle mal herhören. In der Siedlung Parklea treiben zwei bekannte Drogenbanden ihr Unwesen. Ich möchte, dass ihr euch auf diese beiden konzentriert. Bisher haben wir keine Zeugen, und von unseren Informanten hat auch noch keiner was zu berichten. Das letzte Opfer, Emily Thornton, hat die Täter zwar gesehen, aber ihr wurde bei dem Überfall die Brille runtergeschlagen, und ohne die ist sie blind wie ein Maulwurf, also keine große Hilfe.«
Nightingale kam herein, als gerade Kopien mit Informationen verteilt wurden. Ein Blick genügte, und Cooper wusste, dass etwas nicht stimmte. Er fürchtete, dass sie sich selbst überforderte. Die Ermittlung im Fall Griffiths war zu weit gegangen. Blite hatte die Idee gehabt, Nightingale als Lockvogel einzusetzen, aber es war ihre Entscheidung gewesen, sich darauf einzulassen. Cooper hatte Bedenken gehabt und sogar Fenwick informiert, obwohl der damals noch bei der Londoner Polizei gewesen war. Der DCI hatte sich auch prompt eingeschaltet, hatte aber nur die schroffe Antwort erhalten, er solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern.
Als er Nightingale jetzt betrachtete, bedauerte Cooper noch mehr, dass es ihnen nicht gelungen war, den Fall anders zum Abschluss zu bringen. Für viele galt die Sache als großer Erfolg, nicht zuletzt für Blite, der immer wieder gern darauf zu sprechen kam, aber Cooper war überzeugt, dass sie mit traditionelleren Methoden das gleiche Ergebnis hätten erzielen können. Es hätte länger gedauert, vielleicht auch mehr Geld gekostet, aber die menschlichen Opfer wären weniger schmerzlich gewesen.
Er fing Nightingales Blick auf und nickte, ohne eine Spur von Vorwurf wegen ihrer Verspätung. Sie lächelte ihn an, aber das Lächeln erreichte nicht ihre Augen, die dunkel gerändert waren, wie er jetzt bemerkte.
Nach der Besprechung wartete sie beim Hinausgehen auf ihn.
»Hallo, Sergeant.« Trotz ihrer Beförderung brachte es Nightingale nicht fertig, Cooper mit Vornamen anzureden.
»Tag, Nightingale. Da haben Sie ja wieder das kürzere Streichholz gezogen und müssen mit mir arbeiten, was?«
»Ich freu mich drauf. Wird auch langsam Zeit, dass ich mich mal wieder in einen anständigen Fall verbeißen kann. Kann ich eine Überwachung übernehmen? Ich hab schon seit Wochen Innendienst.«
Cooper erlebte es nicht oft, dass sich jemand freiwillig
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