Crescendo
Weg, wie ich seine Fassade durchbrechen kann. Ich suche nach irgendeiner Erkenntnis, die mir bei der Therapie weiterhilft.«
»Dass Sie sich an jemanden wie mich wenden, entspricht nicht gerade den Vorschriften. Sprechen Sie mit seinen Angehörigen oder haben Sie Geduld. Ich wüsste nicht, wie ich Ihnen helfen soll.«
»Er hat keine Angehörigen, zumindest behauptet er das, und in seiner Akte steht auch nichts von irgendwelchen Freunden.«
»Tja, tut mir Leid, Dr. Batchelor, aber ich kann Ihnen wirklich nicht helfen … es sei denn, Sie verschweigen mir irgendwas.« Es war eine Feststellung, keine Frage, aber kaum hatte Nightingale die Worte ausgesprochen, hätte sie sie am liebsten wieder zurückgenommen. Sie wollte nichts mehr mit Griffiths zu tun haben. Sie hatte schon genug Albträume und brauchte keinen Stoff für weitere. Batchelor reagierte mit spürbarer Erleichterung.
»Sie haben Recht. Ich wollte Ihnen keine Angst machen, aber mir bleibt anscheinend keine andere Wahl. Griffiths hat Artikel über die Ermittlungen und den Prozess gesammelt. Ich dachte, es würde ihm helfen, die Schuldgefühle zu verarbeiten, die meiner Ansicht nach seinem Problem zugrunde liegen.«
»Ich bitte Sie! Der Mann ist ein Soziopath. Er weiß gar nicht, was Schuldgefühle sind. Er wird einzig und allein von dem Verlangen getrieben, über jeden Menschen, auf den er sich fixiert, Macht und Kontrolle auszuüben.«
»Das ist eine Sichtweise«, erwiderte Batchelor mit unerwartetem Sarkasmus, »ich habe eine andere.«
Seine gespielte Ruhe ging Nightingale auf die Nerven.
»Dann würde mich interessieren, wie Ihre Sichtweise aussieht.«
»Meine Diagnose unterliegt der Schweigepflicht.«
»Ich dachte, Sie hätten noch keine Diagnose gestellt.«
Sie konnte aus dem Seufzer Verärgerung heraushören und beschloss, das Gespräch zu beenden. Es reichte.
»Moment.« Batchelor klang bedrückt. »Die Wahrheit ist, ich habe ein paar unausgegorene Ideen. Wenn ich auf Ihre Diskretion zählen darf …«
»Wem sollte ich denn wohl irgendwas erzählen?«, konterte sie spöttisch.
»Also dann. Ich habe vorhin erwähnt, dass er Artikel sammelt. Er hat zwei Alben, eines ist voll mit Zeitungsausschnitten und ausgedruckten Artikeln aus dem Internet.«
»Internet! Sind Sie noch bei Trost? So hat er seine Opfer ausfindig gemacht und ihnen nachgestellt!« Die unerfreuliche Erinnerung an Pandoras Nachrichten tauchte in ihr auf und es überlief sie kalt.
»Er darf nur unter meiner direkten Aufsicht ins Internet. Ich lasse ihn nach jeder Sitzung zur Belohnung fünf Minuten surfen, aber die Direktorin will auch das verbieten. Ich beobachte ihn die ganze Zeit. Er darf nur surfen und ausdrucken. Es ist völlig ausgeschlossen, dass er Nachrichten verschickt oder erhält.«
»Trotzdem halte ich das für ein unnötiges Risiko, aber Sie sprachen von zwei Sammelalben. Was ist in dem zweiten?«
»Sie. Es ist voll mit Zeichnungen und Fotos, und mit allem, was während und nach dem Prozess über Sie geschrieben wurde.«
»Wieso?«
»Ich hatte gehofft, das könnten Sie mir sagen.«
»Ich habe keine Ahnung. Und nur ich bin da drin? Keins seiner anderen Opfer?« Sie biss sich auf die Lippe und hoffte, dass er ihren Versprecher nicht bemerkt hatte.
»Nur Sie. Was ist passiert, dass Sie so wichtig für ihn sind?«
»Ich habe ihn festgenommen, und meine Aussage hat zu seiner Verurteilung geführt. Klar, dass er wütend auf mich ist, mich vielleicht sogar hasst.«
»So einfach ist das nicht. Es geht hier nicht um Zorn oder Hass.« Irgendwie schwante ihr, dass er mehr wusste, als er zugab.
»Was verschweigen Sie mir?«
Batchelor seufzte, plötzlich unsicher.
»Als keine Artikel mehr erschienen, fing er an zu zeichnen. Nach der Vorlage eines Fotos von Ihnen. In seinen Zeichnungen sehen Sie aus wie eine Kreuzung aus Königin und Kriegerin.«
»Er zeichnet Artemesia, die Jägerin.«
»Interessant. Wenn Sie Recht haben, sind Sie für ihn eine Art Erscheinung. Die Porträts sind perfekt.«
»Und er hat keine anderen Figuren aus THE GAME gezeichnet?«
»Nur Sie.«
»Tja, meine laienhafte Analyse ist die, dass er davon fantasiert, Macht über mich auszuüben. So, jetzt muss ich aber wirklich Schluss machen.«
»Können Sie mir mehr über Artemesia erzählen?«
»Kaufen Sie sich THE GAME, da ist alles drin. Ach, übrigens«, sie hoffte, dass ihre Stimme beiläufig klang, »hat er Zugang zu einem Telefon?«
»Nein, noch nicht. Die Direktorin hat seinetwegen
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