Crescendo
Beachtung geschenkt, weil er beleidigt war. Über eine Woche lang hatte es unangetastet in Plastik eingepackt dagelegen und Staub angesetzt.
Er war ein Großmeister gewesen. Sein Punktestand hatte bei der magischen und rein zufälligen Zahl 666101 gelegen. Das war der unangefochtene Rekord für den Dämonenkönig, zumindest damals. Einer der vielen Gründe, warum er unbedingt wieder freikommen wollte, war der, dass er sich vergewissern musste, ob seine Überlegenheit noch immer unangetastet war. Was waren schon Kunststofffiguren gegen die Realität eines Live-Spiels?
Heute war der Tiefpunkt seit seiner Verhaftung gewesen, und er konnte sich selbst nicht ausstehen. Er hatte lange Fingernägel und durfte kein Maniküre-Set haben, um sie zu pflegen. Sein Haar rollte sich über dem Kragen, ein ganzes Stück länger, als er es je getragen hatte. Die Gefängnishose kniff ihn in der speckigen Taille. Und gestern Abend hatte er das Brettspiel ausgepackt.
Der Anblick des Dämonenkönigs aus plumpem, schwarzem Kunststoff hatte ihm Tränen in die Augen getrieben. Es war grotesk, als hätte seine eigene Gewichtszunahme die Form seines Alter Ego verschwommen gemacht. Er hatte die Figur angewidert angestarrt und war dann schlecht gelaunt auf die Pritsche gesunken. Zum ersten Mal war ihm der Gedanke gekommen, dass er womöglich den Rest seines Lebens in dieser Zelle fristen musste, wie es der Richter gewollt hatte. Als er vor Tagesanbruch erwachte, war er noch immer deprimiert und dachte zum ersten Mal an Selbstmord.
Es war paradox, dass er zuvor eine suizidale Neigung vorgetäuscht hatte, ohne je die Absicht zu haben, sich etwas anzutun. Jetzt waren die Behörden entspannter, durch seine Schauspielerei überzeugt, dass er sich langsam mit seinem Schicksal abfand, und zum ersten Mal reizte ihn der Gedanke zu sterben, wirklich. Es war eine tröstliche Vorstellung, dass er sich umbringen konnte, und darüber nachzudenken, wie er es am besten anstellte, war eine intellektuelle Herausforderung, mit der er sich die Zeit vertreiben konnte. Er hatte weder einen Gürtel noch Hosenträger, und seine Gefängniskluft ließ sich nicht zerreißen. Er wurde auch nicht in die Nähe von scharfen Gegenständen gelassen. Vielleicht würde sich eine Gelegenheit bieten, wenn er eine Krankheit vortäuschte und auf die Krankenstation kam.
Er übte gerade schmerzverzerrte Gesichter, als ein warnendes Schlüsselgeklimper einen Störenfried ankündigte. Er rechnete damit, Saunders zu sehen, es war seine Schicht, doch stattdessen stand da ein anderer Wärter, der den Daumen in Richtung offene Tür schnellen ließ.
»Dein Seelenklempner ist da. Bewegung, marsch.«
Batchelor erwartete ihn. Er trug wie immer sein langweiliges Sportsakko, und auf der Strickkrawatte hatte er einen Essensfleck. Griffiths verbarg seine Verachtung hinter einem angedeuteten Lächeln.
»Dr. Batchelor. Schön, dass Sie mich wieder besuchen.«
»Wie geht’s?«
Gedanken an Selbstmord, an die Krankenstation, vielleicht an Flucht wirbelten dem Gefangenen durch den Kopf. Wollte er sterben? Er war sich nicht sicher. Am besten ließ er sich alle Möglichkeiten offen.
»So lala. Ich hab öfters krampfhafte Bauchschmerzen. Nicht lange, aber es ist unangenehm.«
Sogleich zeichnete sich Besorgnis auf Batchelors Gesicht ab.
»War ein Arzt bei Ihnen?«
»Nur Sie.«
»Ich meinte einen Mediziner.«
»Nein, ich hab nicht drum gebeten. Ich warte erst noch mal ab. Ist bestimmt harmlos.«
Schon bald waren sie bei dem üblichen Psychogeschwafel, das angeblich eine Analyse sein sollte. Jetzt, wo der Gefangene wusste, dass er nicht mehr an einen Computer durfte, sah er wenig Sinn in den Gesprächen. Er war gelassen und zwanglos, hatte sich aber stets unter Kontrolle. Um den Doktor nicht allzu sehr zu frustrieren, spielte er ihm ab und zu eine depressive Verstimmung oder einen Anflug von Selbsterkenntnis vor, damit er wiederkam.
Ein unerfreulicher Gedanke überkam ihn. Heute musste er seine Niedergeschlagenheit nicht vortäuschen.
» … würde Sie interessieren.«
»Bitte?«
»Ich sagte, ich habe mit Detective Sergeant Nightingale gesprochen.«
Ihm war, als hätte er einen Schlag auf die Brust bekommen. Für den Bruchteil einer Sekunde wusste er nicht, wie er reagieren sollte, dann begriff er, dass ihm der Schock anzusehen sein musste. In dem blasierten Gesicht des Mistkerls vor ihm blitzte ein befriedigter Blick auf. Griffiths fühlte sich reingelegt, von einem unfähigen
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