Crescendo
ich.«
»Harper-Brown.«
Nightingales Mund klappte erschrocken auf.
»Er will zum Superintendent. Ich stehe nur auf Abruf bereit, falls er mich sprechen will.«
»Trotzdem sollten Sie sofort fahren.« Sie nahm ihm die leere Kaffeetasse aus der Hand. »Ach, bevor ich’s vergesse, ich habe noch einen Pullover von Ihnen. Warten Sie, ich hole ihn.«
Sie brachte ihn, gewaschen und gebügelt.
»Da«, sagte sie zu forsch, »falls wir uns nicht mehr sehen.«
»Den hatte ich ganz vergessen. Danke.« Er sah bedrückt aus. »Nightingale, ich fühle mich einfach nicht wohl dabei. Ich weiß, das ist völlig unlogisch, und es wird Ihnen nicht gefallen …«
»Nein, reden Sie ruhig weiter.«
»Also, ich habe es mit vernünftigen Argumenten versucht, und Sie sind einfach so dickköpfig wie immer, wenn Sie sicher sind, dass Sie Recht haben und wir Übrigen zu blöd sind, das einzusehen.«
Sie zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Bin ich so schlimm?«
»Schrecklich. Störrisch wie ein Esel.«
»Das hört sich ja furchtbar an. Mich wundert, dass Sie nicht versucht haben, es mir auszutreiben, oder dass Sie das nicht von Sergeant Cooper haben erledigen lassen.«
»Ich hab dran gedacht, aber«, er hielt inne, zuckte dann die Achseln, als wollte er sagen, was soll’s, »es gefällt mir. Das ist einer Gründe, warum Sie so gut sind.«
»Verstehe. Gibt’s noch andere Charakterschwächen von mir, die Sie zum Abschied erwähnen möchten?« Sie lächelte jetzt, genoss es, ihn auf dünnem Eis zu sehen.
»Wie wär’s mit mangelndem Respekt vor Vorgesetzten, eine Neunmalkluge mit mehr Intelligenz, als ihr gut tut?« Er merkte, dass ihre Stimmung sich geändert hatte, und lächelte jetzt auch. »Übereifrig, aggressiv …«
»Sie meinen bestimmt, im Sinne von dynamisch, energisch.«
»Von mir aus. Soll ich fortfahren?«
»Danke, ich verstehe, was Sie meinen. Und Sie wollen trotzdem, dass ich bleibe? Wieso?«
Er schüttelte den Kopf, als stünde er vor einem Rätsel.
»Ich weiß nicht. Vielleicht gefällt mir die Vorstellung, dass Sie weiter bei der Polizei sind, wenn auch woanders. Wer weiß, vielleicht arbeiten wir ja irgendwann wieder zusammen.«
»Das ist unwahrscheinlich, nicht? Wenn ich versetzt werde, ist damit Schluss, das wissen Sie.«
»Wahrscheinlich. Mir persönlich gefällt es auch nicht, dass Sie versetzt werden, aber es ist zu Ihrem eigenen Besten.«
»Das haben Sie noch nie gesagt, ich meine, dass Sie nicht wollen, dass ich gehe.«
»Nein, tja, und ich hätte es auch jetzt nicht sagen sollen. Es geht mich nichts an. Aber es interessiert mich nun mal, was aus Ihnen wird.«
»Verstehe.« Das Gespräch war verwirrend, aber es stimmte sie froh. Sie hatte seine Unverschämtheiten genossen. Sie waren etwas Persönliches gewesen und zeigten irgendwie, dass sie ihm am Herzen lag. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich denke nach wie vor, die Kündigung war richtig, ehrlich.«
»Lassen Sie sich Zeit, nehmen Sie Urlaub, bezahlt oder unbezahlt, lassen Sie sich krankschreiben oder was weiß ich. Fahren Sie eine Zeit lang weg, und denken Sie drüber nach. Wir halten Ihre Kündigung zurück, bis Sie wieder da sind. Nutzen Sie einfach die Gelegenheit, sich das Ganze noch mal zu überlegen.«
»Ich werde eine Nacht drüber schlafen. Ich rufe Sie morgen früh an und sage Ihnen Bescheid.«
Fenwick nahm seinen gewaschenen Pullover und wandte sich zum Gehen.
»Chief Inspector … Andrew, danke. Wie ich mich auch entscheiden werde, unser Gespräch bedeutet mir sehr viel.«
Das Kompliment ließ ihn erröten, und er ging ohne ein weiteres Wort.
Kapitel elf
»Louise Nightingale möchte Sie sprechen.«
»Sie soll reinkommen, Anne.« Fenwick legte die Akte, die er las, beiseite und blickte auf. Sein Lächeln erstarb, als er Nightingales Gesichtsausdruck sah. Instinktiv stand er auf. Manche Schläge steckte er nicht gern im Sitzen ein.
»Morgen. Kaffee?«
»Nein, danke, Sir. Ich werde Sie nicht lange aufhalten.« Sie holte tief Luft und sprach weiter. »Ich halte es derzeit für nicht so gut, wenn ich weiter hier arbeite, aber Sie haben Recht, ich sollte so eine Entscheidung nicht übers Knie brechen, und deshalb möchte ich das Angebot annehmen und unbezahlten Urlaub nehmen. Einen Monat oder so, um in Ruhe nachdenken zu können.«
»Und Ihre Kündigung liegt auf Eis?«
»Vorläufig, ja. Sagen Sie dem Superintendent Bescheid?«
»Klar.«
Etwas von der Anspannung wich aus ihrem Gesicht, und sie sah erschöpft aus.
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