Crime

eingesteckt, oder?
    – Nein, sagt Tianna besorgt,– hab ich wohl unter Deck liegen gelassen. War das wichtig?
    – Ne, ich kann ja ein neues kaufen, sagt er gleichmütig, kann aber nicht verhindern, dass er reflexartig mit seinen Backenzähnen knirscht. Trudi hat einige der Coupons darin ausgefüllt. Die Adresse. Sie haben ihre Adresse.
    Es wird keine Rolle spielen. Doch der Gedanke haftet an ihm. Sollen sie doch zu Haus in Edinburgh irgendwas versuchen , er knirscht noch fester mit den Zähnen und heizt sich mit Gewaltfantasien auf, bis er sich geradezu auf diese Aussicht freut. Dann fällt sein abirrender Beschützerblick wieder auf Tianna, als sie eine Tankstelle mit einer Telefonzelle anfahren.
    Lennox sucht seine Taschen nach seiner Telefonkarte ab, findet sie nicht und flucht, dann ertasten seine Finger etwas Kleingeld, während seine Augen automatisch die Umgebung nach einer nahenden Katastrophe in Gestalt von Lance Dearing absuchen. Die Vernunft sagt Lennox, dass es nahezu unmöglich ist, dass sich ihre Wege zufällig auf der Straße kreuzen, an einem Ort wie diesem. Paranoia, diestärkere Kraft, suggeriert ihm parallel dazu, dass es unvermeidbar ist.
    Die Quarters rollen aus seiner verschwitzten Hand scheppernd in den Apparat. Lennox tippt mit steifem Finger die Tasten. Eine raue Stimme schnarrt am anderen Ende der Leitung.– Eddie Rogers.
    – Ray hier. Du musst mir einen Gefallen tun. Du und Dolores, sagt er, denn er denkt, es wäre einfacher, Tianna in der Obhut einer Frau zu lassen. Er versucht, die von seinen verschwitzten Fingerabdrücken verschmutzte Straßenkarte gerade zu halten.– Könnt ihr mich an dem Truckstop an der Ausfahrt49 auf der Interstate75 treffen?
    – Das ist ja mitten in den Everglades, Gingers Stimme wird schrill,– im Miccosukee-Reservat. Aber wieso bist du–
    – Du musst mir einen Gefallen tun, wiederholt Lennox.
    Ginger schickt ihm ein langes Stirnrunzeln durch die Leitung.– Okay. Ich kann in anderthalb Stunden da sein. Trudi hat angerufen und mir erzählt, dass du Stress bekommen hast. Komm mal wieder auf den Teppich, Junge. Was meinst du, wo du hier bist, CSF  Miami ?
    Lennox hustet kurz und trocken über Gingers Anspielung auf ihre schottischen Hooligans und sagt dann:– Schon kapiert. Sei einfach da. Lass mich nicht hängen, Ginger.
    Ein Schweigen schwillt in Lennox’ Kopf an. Dann wird es so durchdringend, dass es ihm die Trommelfelle zu durchbohren droht.– Tu ich nicht, schnarrt Ginger,– und zum verschissenen allerletzten Mal, ich heiß Eddie!
    – Alles klar, Eddie, sagt Lennox, der Name wie eine bittere Frucht in seinem Mund.– Ich weiß das zu schätzen, Alter.
    – Okay, ich fahr direkt los. Mach keinen Scheiß, Raymie, warnt Ginger ihn und legt auf.
    Als Lennox zurückkommt, sitzt Tianna mit verquollenem Gesicht da, das Weiße in den Augen ganz rosig vom vielen Reiben. Lennox denkt daran, etwas zu sagen, aber ihm fällt nichts ein, also lässt er es lieber auf sich beruhen. Er startet den Wagen, und sie verlassen die Tankstelle.
    Sie erreichen die Mautstelle am Beginn der Interstate75. Ein Schild zeigt an, dass es 127Meilen bis Miami sind, bis Fort Lauderdale124. Der Treffpunkt bei Ausfahrt49 scheint etwa auf halber Strecke zu liegen, daher müssten sie etwa zur gleichen Zeit wie Ginger eintreffen. Lennox sieht sich den Mann am Schalter an, einen kleinen Schwarzen mit grauem Bart, dessen Name auf einem Schildchen steht, und darunter seine Tätigkeit: HILFSARBEITER .
    – Die Drecksäcke, sagt Lennox, als sie weiterfahren, und entschuldigt sich dann bei Tianna:– Die wissen doch selbst, dass die nicht in der Chefetage sitzen. Müssen sie die auch noch mit der Nase drauf stoßen?
    Tianna sieht noch mal zurück zu dem Schwarzen und sagt dann zu Lennox:– Du bist ein echt netter Typ, Ray, ich meine, wo du das alles für mich machst und so. Sie bricht ab und fragt dann:– Aber warum hilfst du mir?
    – Wir sind Freunde, meint Lennox achselzuckend,– Weggefährten, schwächt er es ab.
    – Aber du kennst mich doch gar nicht richtig.
    – Ich weiß genug, um zu erkennen, dass du im Moment einen Freund brauchst. Er zeigt auf das Radio.– Und ich brauch Musik.
    Tianna reagiert sofort und stellt einen Disco-Sender ein. Ein pumpender Remix von Sister Sledges »Lost in Music« rockt den VW . Bei der Zeile caught in a trap, no turnin back sehen sie beide sich in grimmigem Einvernehmen an.
    Es war zwar eine Interstate mit der erlaubten