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Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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auch aus Mobile. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich sie da verloren hab. Ich hatte sie, als ich das letzte Mal auf dem Boot war, und ich erinner mich irgendwie   … es war, als wär ich krank gewesen   … Ich konnte das Wasser sehen. Es war wie ein Traum.
    Die Stille ringsum wird von einem Rascheln zwischen den Mangroven unterbrochen, gefolgt von einem kurzen, erstickten Quieken irgendeines Tiers und einem heiseren Triumphgebrüll. Lennox blickt nervös zum Sumpf, dann zurück zu ihr, als gäbe er nichts darauf. Aus dem dichten Urwald kommt eine Kakofonie von Vogelschreien, dann ist es wieder still.– Wie meinst du das? Als wärst du auf dem Boot gewesen und hättest dich seekrank gefühlt?, fragt er und schmeckt das Salz in der aufkommenden Brise.
    – Als wär es auf dem Boot, und als wär es ein Traum   … aber irgendwie war es doch keiner, sagt sie in dem schwindelerregenden Moment des Begreifens.
    Lennox’ Herzschlag beschleunigt sich, und er muss einmal mehr irgendetwas herunterschlucken, das gar nicht da ist.– Es war wahrscheinlich nur ein Albtraum.
    Tianna stimmt ihm viel zu bereitwillig zu. Lennox spürt, dass sie Freiraum zum Denken braucht, und schweigt. Sie fragt ihn:– Hast du machmal Albträume, Ray? Ich mein, so superschlimme Träume, dass du mit gar keinem darüber reden kannst?
    Jetzt ist Lennox wie vor den Kopf geschlagen. Er schaut nach oben. Erwartet, Schiefergrau zu sehen statt marmoriertes Blau. Sekunden ticken.– Ja, sagt er schließlich mit schwankender, schwacher Stimme.– Ja, die hab ich.
    – Würdest du sie mir erzählen?
    – Vielleicht später mal.
    Sie streicht sich wieder das Haar aus dem Gesicht. In einem Strahl des Mondlichts, das durch die Zweige der Bäume hinter dem Zaun fällt, fragt sie mit dem feierlichen Ernst einer Geisterseherin:– Versprochen?
    – Aye   … Lennox hört sich selbst, schwankend zwischen Flüstern und Seufzen. Ihm ist jede Ablenkung recht, also lässt er sich von ihr die Baseballkarte geben und liest:
    HANK AARON
(geb.: 5.   Februar 1934, Mobile, Alabama)
    755Home Runs in 23Saisons. Ein Rekord im Major League Baseball, mit dem er den legendären Babe Ruth überrundete.
    Hank Aaron war einer der größten Söhne Mobiles. Seine Eltern waren von Selma dorthin gezogen, um auf den Schiffswerften zu arbeiten. Aaron, der ursprünglich in den Negro Leagues spielte, erinnert sich noch, wie das Personal die Teller zerbrach, von denen er und seine Kameraden im Restaurant gegessen hatten. Seine Karriere in der Major League umspannte mehr als zwei glorreiche Jahrzehnte, in denen er bei den Milwaukee Brewers und den Atlanta Braves spielte.
    Lennox erinnert sich an den Namen. Erinnert sich vage, gelesen zu haben, dass irgendein Stereoidkoloss freudlos das Ziel verfolgt, Aarons Rekord einzustellen.– Scheint ein guter Typ gewesen zu sein. Ein Typ, der sich von nichts unterkriegen ließ. Und die Arschlöcher, die die Teller zerschlagen haben, um ihm weiszumachen, er wäre nichts wert, wo sind sie jetzt? Wen interessiert es, was sie denken? Er unterbricht sich und gibt die Karte zurück.– Verstehst du, was ich sagen will?
    Sie begegnet seinem Blick mit demselben Starren wie er dem ihren.– Ich denk schon.
    – Merk dir das. Denk immer daran.
    Er beugt sich in den Wagen und startet ihn, um das Autoradio anzuschmeißen. Sie hören Big105.9 an, Miamis Sender mit klassischem Rock; es läuft »Is There Something I Should Know« von Duran Duran. Dann wechseln sie zum lebhaften Chaos eines spanischsprachigen Tanzmusikkanals, hektische, ansteckend gute Laune, die ihm Lust auf einen Tequila oder Mojito macht.
    Sie sind beide dankbar für die Ablenkung, aber dann kommt eine traurige Ballade, und Tianna redet wieder.– Mich wird nie einer heiraten, sagt sie, als würde sie den Kummer mal anprobieren, und macht ein fragendes Gesicht.– Angenommen, bloß mal angenommen, ich wär älter und du wärst jünger, würdest du mich heiraten?
    Lennox lächelt verkniffen.– So was kannst du mich nicht fragen. Du weißt doch gar nicht, wie ich gewesen bin, als ich jünger war, und aus irgendeinem Grund sieht er sich dabei selbst in einer Falmer-Jeans, mit Kapuzenjacke und dem langen, in die Augen hängenden Pony. Und dann dieser Schnurrbart. Dieses saublöde Ding, wegen dem ihn alle verarscht haben, sogar bei der Polizei. Er war zeitgleich mit dem Kokskonsum gewachsen. Trudi war begeistert gewesen, als er ihn abrasierte, doch er selbst hatte es sofortbedauert. Ohne

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