Crime
auf dem Zeitschriftentitel, während Chets flanellbekleideter Arsch die Treppe herunterkommt. Er dreht sich mit müdem Lächeln zu ihr um:– Ich hab letzte Woche mit Amy telefoniert. Seine heisere Stimme klingt belegt vor Verlustschmerz.– Sie hat nach dir gefragt. Sie hat vor, bald mal wieder herzukommen. Meinstdu nicht, du wärst vielleicht doch besser hier aufgehoben, hier auf dem Boot? … Ich meine, Lennox scheint ja nett zu sein, aber deine Mutter hat nun mal gesagt, er soll dich herbringen, also kann ich dich unmöglich mit ihm fortlassen.
– Ich will aber mit ihm fahren!
– Versetz dich doch in meine Lage, Herzchen, fängt Chet an, die buschigen, weißen Brauen hochgezogen,– deine Mutter–
– Ich will nicht hierbleiben!
– Aber du hast doch immer gern …
– Können wir jetzt losfahren, Chet? Möglichst sofort? Meine Verlobte wird, wie Sie ja erwähnten, längst auf mich warten, ruft Lennox, der halb die Treppe herunterkommt.
– Ja, natürlich. Ich muss mich entschuldigen. Chet schaut Lennox an.– Sie haben es aber auch eilig, dann schaut er sich noch mal vergeblich nach Tianna um und folgt Ray Lennox die Treppe hoch an Deck.
Sie gehen zur Steuerkonsole, Chet startet das Boot und fleht ihn an:– Sind Sie sicher, dass Sie Tianna nicht doch lieber bei mir lassen wollen?
– Ich glaube nicht, dass sie das möchte. Glauben Sie das etwa? Lennox betrachtet das unbewegte Profil des älteren Mannes. Sieht, das die Knöchel seiner klobigen Hände am Steuerrad weiß hervortreten.
– Wie Sie meinen.
Die Hinfahrt war eine gerade Linie durch die Bucht von einem Hafen zum anderen gewesen. Aber jetzt lässt Chet sich Zeit.– Können wir nicht direkt zur Marina, anstatt an der Küstenlinie zu kleben?
– Die Gezeiten haben sich geändert. Wir müssen die Untiefen meiden, um nicht auf Grund zu laufen, Chet zeigt auf das Navigationssystem und den Tiefenmesser.– An manchen Stellen haben wir kaum 30Zentimeter unterm Kiel, und dieses Boot ist verdammt schwer.
Lennox schaut auf den Bildschirm. Eine schnurgerade Route verläuft genau da, wo das Wasser am tiefsten ist.– Da lang, sagt er, packt Chets Hand mit seiner kräftigen Linken und biegt zwei Finger zurück. Unter dem höllischen Schmerz leuchtet das Gesicht des Skippers auf wie die Jukebox. Chet ringt sich ein Lächeln für Tianna ab, die nun auch auf Deck am Heck des Bootes ist, während ihm der schottische Polizist in knapper, schneidender Sprechweise ins Ohr schnarrt:– Leg dich bloß nicht mit mir an, du Fotze. Du weißt gar nicht, worauf du dich einlässt. Drücke ich mich klar aus?
– Kristallklar, keucht Chet, als Lennox seinen Griff lockert. Er ändert den Kurs, und innerhalb von fünfundzwanzig Minuten sind sie an Land.
Ray Lennox weiß, dass er Chet nicht die Finger gebrochen hat. Aber irgendetwas in ihm ist zerbrochen, so kläglich, wie er ihnen von seinem Boot im Hafen gequält nachwinkt.
Lennox und Tianna steigen ins Auto und fahren. Lennox hat der Versuchung widerstanden, von Chets Handy aus Trudi anzurufen; dabei wäre die Nummer des Hotels gespeichert worden, und er wollte sie keinesfalls in diese Sache hineinziehen. Diesmal lässt er sich nicht auf den Tamiami Trail ein. Er weiß jetzt genau, wie er auf die Interstate75 kommt: Everglades Parkway oder Alligator Alley.
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16
Alligator Alley
Der Verkehr ist verdächtig dünn, rechts und links der Straßen stehen ärmliche Häuser und grüne Schilder, die Straßennummern und die Namen ferner Städte verkünden. Im Wechsel Einkaufsstraßen mit nichts Gutes verheißenden Unternehmen. Die Red-Sox-Kappe liegt auf dem Armaturenbrett. Er hat sie aufgegeben, an seinen Schläfen sieht man noch zwei Druckstellen. Lennox schaut Tianna an, die stumm neben ihm sitzt, ihre Sammelbilder in der Hand.– Hat Chet sich je an dich rangemacht?
– Nein. Sie schüttelt den Kopf und runzelt in konfusem Befremden die Stirn.– Glaub ich jedenfalls nicht, aber ich werd irgendwie nicht schlau draus, ich hab mich auf dem Boot total komisch gefühlt.
– Na, jetzt geht’s dir ja wieder gut. Lennox übermalt seine Befürchtungen mit einem Lächeln.– Es ist schön, dass du die Baseballkarte gefunden hast, die dein Dad dir hinterlassen hat.
Ihr Blick scheint in ihm nur einen weiteren Verschwörer gegen sie zu sehen, doch ihr Ärger gilt nicht ihm, sondern ist nur Vorbote einer weiteren Enthüllung.– Mein Daddy hat mir keine Baseballkarten hinterlassen.
– Oh.
– Ich kannte ihn gar
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