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Crime

Crime

Titel: Crime Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh , Pößneck GGP Media GmbH
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nicht. Er hat Momma schon verlassen, bevor ich zur Welt kam. Wenn sie überhaupt je richtig zusammen waren. Ich hab die Karten auf dem Dachboden gefunden, da, wo wir in Jacksonville gewohnt haben. Ichbin da immer raufgestiegen, weil ich   … weil ich   … sie kann den Namen kaum aussprechen,–… vor Clemson abhauen wollte.
    Clemson. Wer ist der Ficker–
    Lennox’ Entgegnung gefriert in der plötzlich unendlichen Leere, die zwischen Gedanken und Sprache klafft. Als er seine Stimme wiederfindet, redet Tianna schon weiter, und ihr Tonfall ist jetzt hell und hoffnungsvoll.– Aber ich hab mir vorgestellt, dass Dad Baseballkarten gemocht hätte, und irgendwie hab ich mich dann wie ein Teil von ihm gefühlt. Ich spinne bestimmt, was?
    – Nein, sagt Lennox,– überhaupt nicht. Er erinnert sich, wie er als Junge WM – Münzen von Esso gesammelt hatte, mit Unterstützung durch seinen Vater. Als er die traurige Unterlippe des amerikanischen Mädchens sieht, erlebt er einen derart mit Pathos durchtränkten Moment, dass er daran erstickt wäre, hätte er nicht tief Luft geholt.– Wer ist Clemson?
    – Tiger Clemson; sein echter Name ist Jimmy, sagt Tianna, in deren Augen jetzt eine elektrisierte Wildheit brennt.– Er war Mommas Freund. Zu ihr war er immer supernett, aber zu mir war er richtig gemein. Ich hatte echt Angst vor ihm. Er wusste alles über mich   … und was mit Vince war. Er hat gesagt, ich wär eben so veranlagt, dass ein Mann das an mir riechen könnte. Sie schnappt plötzlich in lähmendem Schrecken nach Luft.– Wenn er es mit mir machte, hat er immer gesagt, das wär meine Bestimmung auf Gottes Erde. Dass er mir einen Gefallen tun und mir einen Vorsprung vor den ganzen anderen Mädchen verschaffen würde. Aber er war anders als Vince; ich weiß, dass ich ihm völlig egal war. Deshalb war es leichter, einfach an was anderes zu denken und ihn machen zu lassen. Aber manchmal hat er mir wehgetan. Manchmal hat er gemacht, dass ich blute. Er hat immer gewartet, bis Momma von ihren Pilleneingeschlafen war, dann ist er zu mir gekommen. Er hat gesagt, wenn ich Momma was erzähle, würde sie ihm glauben und nicht mir. Ich weiß ja, was du vorher schon getrieben hast, hat er gesagt. Ich bin immer auf den Dachboden rauf, mich vor ihm verstecken.
    Lennox ist vom Gas gegangen und eine asphaltierte Ausfahrt rausgefahren, die in zubetoniertes Flachland übergeht, das wohl als Parkplatz geplant war, aber ohne Kundschaft geblieben ist, und durch dessen rissige Oberfläche schon pflanzliches Leben sprießt. Er hat genauso um seiner selbst willen wie ihretwillen angehalten. Seine brennenden, schmerzenden Hände umklammern immer noch das Lenkrad, während ihm das Blut in den Ohren pocht.– Woher wusste er das? Das, was Vince mit dir gemacht hat?
    – Ich weiß nich   … sagt das Mädchen achselzuckend.– Der hat immer gesagt, Mädchen wie mich, mit meiner Veranlagung, würd er sofort erkennen. Dass er zehn Meilen gegen den Wind gerochen hätte, dass ich keine Jungfrau mehr bin. Hat er wenigstens immer gesagt.
    Ihm kommt die Galle hoch.
    – Stimmt das, Ray? Wissen Männer einfach so, wie man ist? Bin ich so eine? Die Verzweiflung lässt ihre Augen heraustreten.
    Lennox nimmt sanft ihre Hand.– Nein. Nein, wissen sie nicht. Hör mir mal zu: Ich denke, du hast viel Pech gehabt und bist ein paar sehr, sehr schlechten Menschen begegnet. Aber du hast nichts Böses gemacht. Du bist ein nettes Mädchen. Die sind es, die was Schlimmes gemacht haben, und sie werden dafür bezahlen. Das verspreche ich dir. Verstehst du, was ich sage? Er sieht ihr in die Augen.
    – Ja.
    – Okay, sagt Lennox und startet den Wagen.
    Tianna.
    Eigentlich sollte sie an Weihnachtsmorgenden in einemHaus wie dem von Jackie aufwachen, wo Geschenke auf sie warten, und–
    Lennox glaubt es kaum, dass er sich Hoffnungen für die Zukunft dieses Mädchens macht, es sind unwahrscheinliche Wunschträume. Er spielt im Geiste tröstliche Szenarien durch, nur um sich dann dafür zu rügen, wie naiv sie sind: meilenweit davon entfernt, wie sie wahrscheinlich enden wird. Überwiegende Wahrscheinlichkeit. Aber das ist der Ärger mit Träumen: Sie halten sich hartnäckig. Und je lebhafter sie werden, umso mehr Aktivität fordern sie ein.
    Als er an seine eigene Zukunft und an Trudi denkt, fährt ihm plötzlich ein Stich in die Brust: Ihm fällt ein, dass er die Perfect Bride auf Chets Boot gelassen hat.– Du hast nicht zufällig dieses Hochzeitsmagazin

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