Crimson - Teuflische Besessenheit (German Edition)
vergessen? Bei Teasle war ich mir nicht sicher; ich fand ihn einfach zu alt. Außerdem trieb mich meine Überzeugung dazu, dass er eine andere Rolle zu spielen hatte, die mir aber noch nicht klar war.
Ich versuchte, mir die Worte Bileams noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. Sofort stach aus dem gedanklichen Wirrwarr ein Name hervor, der durch die Aussagen von Elsa und den KGB-Agenten über das verschollene Buch bekräftigt wurde: Judas! Aber wer war Judas? Nach meinen Informationen war er der Verräter, der Jesus ans Kreuz geliefert hatte. Aber er durfte sich dennoch als Jünger des Heilands bezeichnen, und langsam bemerkte ich, dass ich dem Puzzle ein weiteres Stück hinzufügen konnte.
Wenn Teasle die Rolle des Judas übernehmen musste, passte es wie die Faust aufs Auge! Sam selbst erzählte, dass er einen dunkelroten Mantel trug, oder zumindest getragen hatte, und nach meinen Schlussfolgerungen versorgte er die Chlysten mit kugelsicheren Westen, um ihnen mehr Schutz zu bieten. Damit erfüllte er ohne Frage seine Rolle als Jünger. Doch seine zweite Aufgabe war die eines Verräters, und so arbeitete er auf Rechnung der Freimaurer. Sein Herz schlug zwar noch für die Amish, doch sein Wille, die Chlysten trotzdem aufzuhalten, war stark genug, um sie zu bekämpfen. Eine krankhafte Vorstellung, so zu handeln. Deshalb war Bileam auch so aufgelöst, als er von Teasles Tod hörte und sich vor Ort davon überzeugen wollte. Vermutlich wussten sie selbst nicht, was es mit dem Ganzen auf sich hatte. Doch diese Theorie verwarf ich sogleich wieder. Bileams Worte zu Fender brachten Aufschluss, als er ihm mit Nachdruck ausgeredet hatte, Teasle zu bekämpfen. Er war sich zu hundert Prozent sicher, dass Sam Judas verkörperte, der den Messias auf Teufel komm raus verraten musste, um der ganzen Geschichte einen authentischen historischen Hintergrund zu verleihen. Hieß es denn nicht, dass Jesus erst durch seinen Verräter unsterblich geworden war? Hätte es diesen Judas Ischariot nicht gegeben, wäre der Mann aus Nazareth vielleicht nie in die Geschichte eingegangen.
Die mussten alle wahnsinnig sein! Mir war jetzt klar, was der eigentliche Grund für diese irrsinnige und nahezu krankhafte Story war: Sie spielten die biblische Geschichte nach, mit derselben Rollenverteilung, außer dass diesmal andere Personen für das heilige Szenario erwählt wurden. Die Dunkelroten schreiben hiermit eine neue Geschichte, eine neue Bibel, einen neuen Beweis ihres Gottes, und somit das letzte Testament!
Die eisige Fahrt dauerte noch knapp eine Viertelstunde, mehr wäre auch nicht drin gewesen. Der Motor stotterte, als ich am Ziel ankam.
Mir offenbarte sich ein so seltsames Gebilde, dass es mir eiskalt den Rücken hinablief: Ein großes, steinernes Kreuz, dass inmitten der schneebedeckten Landschaft stand und mir den Eindruck vermittelte, dass es auf mich gewartet hatte. Das knapp zwei Meter hohe Symbol des Glaubens blickte auf mich herab, als wollte es mir sagen, dass die Zeit knapp werden würde. Ich sah, dass es schon einige Jahre auf dem Buckel hatte, und glich exakt dem orthodoxen Kreuz, das in meine Haut eintätowiert worden war. Dieses Symbol, welches dem christlichen Kruzifix sehr ähnlich war, wies einen zusätzlich schräg gestellten Balken auf, welcher sich im unteren Teil befand.
Im Schnee sah ich eine erloschene Fackel liegen, vermutlich die Quelle des Lichtscheins, der mich hierhergeführt hatte. Doch wo war der, der damit Signale gegeben hatte?
Mein Rundumblick brachte keine Antwort. Womöglich hatte er sich bereits davongemacht, was mich allerdings einigermaßen in Erstaunen versetzte, da ich mich nicht erinnern konnte, dass das Licht überhaupt nur eine Sekunde lang erloschen war. Kann sein, dass ich mich auch täuschte.
Ich fand keine Fußspuren im Schnee. Es hatte zwar angefan gen stark zu schneien und die Flocken glichen eher Gänsefedern als einem normalen Schneefall, aber dennoch konnten sie die Fußspuren nicht so schnell verdeckt haben.
Während ich immer wieder zu diesem Kreuz aufsah, kam mir ein Gedanke. Robert Shankle hatte mir etwas von einem Kreuz erzählt, das er als Kind auf der Grabstätte in Downfall erblickt hatte und das er nicht wirklich gut beschreiben konnte. Er sprach lediglich davon, dass es bei dem Kreuz etwas Ungewöhnliches zu entdecken gab, da es etwas anders aussah, als die, die er kannte. Ich war mir nun sicher, dass er diese Form hier gemeint hatte. Nun, dass ich mich nicht auf einem Friedhof
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