Crimson - Teuflische Besessenheit (German Edition)
es war, den Sie am Telefon gehört haben?«, bohrte ich weiter.
Emma nickte, während sie ebenfalls ein Stückchen des Kuchens aß.
»Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.«
Ich stutzte. Wie konnte jemand so sehr überzeugt sein, der mich zum einen gerade einmal zwei Tage kannte, wobei dies in der Summe gerechnet nur einige Stunden waren, und mich zum anderen noch nie am Telefon gehört hatte? Irgendwas stank hier gewaltig, und ich roch instinktiv am Kuchen; man kann ja nie wissen, welche Zutaten sich in solch einem Teigberg versteckt halten.
»Wie können Sie sich da sicher sein?«
»Nun, ich glaube schon, Ihre Stimme erkannt zu haben. Außerdem habe ich die Kuckucksuhr gehört, die um elf Uhr zu schlagen begonnen hat.«
Mein Blick ging zur Uhr. Mist, fluchte ich in Gedanken. Dem etwas entgegenzustellen, war kaum möglich. Doch was mich am meisten daran störte, war Emmas Reaktion: Wenn mir so etwas passiert wäre, und jemand hätte mir danach erzählt, dass er doch nicht angerufen habe, wäre ich definitiv ins Grübeln gekommen. Weshalb sollte man mir solch einen Streich spielen?
Und was tat Emma? Sie kümmerte sich keinen Deut darum, ob meine Behauptung ein dummer Scherz oder sonst was gewesen sein konnte. Irgendetwas stimmte mit dieser Frau nicht, die ihren trüben Blick starr auf ihre Schreibmaschine gerichtet hielt, während sie etwas tippte.
Leise stellte ich meinen Kuchenteller auf ihren Schreibtisch und bemerkte, dass keinerlei Reaktion ihrerseits erfolgte. Auch schien sie es nicht wahrzunehmen, dass ich mich von ihr entfernte, mich an meinen Arbeitstisch setzte und sie weiterhin anschaute, während ich mir meinen Sheriffhut tief ins Gesicht zog.
»Vielen Dank für die Briefe«, lobte ich sie.
Emma blickte fragend auf.
»Ich meine damit, dass Sie sie mir auf meinen Schreibtisch gelegt haben.«
Sie nickte zufrieden und lächelte ein wenig.
»Nichts zu danken. Nun, das ist ja meine Aufgabe.«
Ein leichtes Lächeln zauberte sich ebenso auf meine Lippen, da mir mein Plan etwas hinterhältig vorkam. Ich spielte an meinem meiner Kugelschreiber, während ich meine nächste Attacke plante, und nahm mir dabei fest vor, Miss Garner genauestens zu beobachten.
»Einen der Briefe habe ich nach Detroit geschickt. Ich dachte mir, ich lasse ihn übersetzen, weil ich ihn nicht lesen konnte.«
Sofort verstummte das Tippen auf der Schreibmaschine und ich bekam ihre volle Aufmerksamkeit. Während ihre Blicke mich trafen, sah ich mir Emma ganz genau an. Ich achtete auf jede ihrer Bewegungen und erkundete mit meinen Augen ihren Hals, um einen eventuell höheren Pulsschlag zu erkennen.
»Wel … Welchen Brief meinen Sie?«, stotterte sie, und der Puls klopfte deutlich stärker an ihrer Halsschlagader. Ebenso glich ihr Blick dem einer Irren, deren Ziel es war, der Zwangsjacke zu entfliehen.
Doch dann verschränkte sie die Arme vor der Brust, was eindeutig eine abweisende Haltung signalisierte. Nun war ich mir sicher, dass ich genau ins Schwarze getroffen hatte: Dieser Brief war eindeutig an sie gerichtet.
»Nun, diesen Brief ohne Absender. Ich habe mir die Freiheit genommen, ihn zu öffnen und habe sofort erkannt, dass ich dieser Sprache nicht mächtig bin.«
Sie versuchte, ihren Adrenalinspiegel zu senken, und ich gebe zu, dass sie es außerordentlich gut bewerkstelligte. Dennoch entging mir nichts – auch nicht ihr unauffälliger Blick, welcher durch den Raum glitt, so als ob sie den Brief hier noch vermuten würde.
»Ach, Sie meinen den Brief von der russischen Botschaft?«, fragte sie unglaublich geschickt nach, obgleich ich keinem ihrer Worte Glauben schenkte. Diese Frau war nicht auf den Kopf gefallen. Auf jede meiner Fragen hatte sie eine Antwort.
Der Brief konnte nur an sie persönlich gerichtet sein, da keine Botschaft eines Landes – auch nicht die russische – handschriftlich auf einer Art von Papyrus eine Mitteilung schrieb. Außerdem hatte ich mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt, dass es sich bei der Sprache um Russisch handelte. Und die Botschaft schickte Briefe ohne Absender in mein Büro?
Emma, du sollest dir in Zukunft bessere Ausreden zurechtlegen, denn mit diesen fadenscheinigen Aussagen beißt du bei mir auf Granit, dachte ich mir.
»Das Schreiben galt Ihnen, nicht wahr?«, sagte ich und beobachtete aufmerksam ihre Reaktion. Ich bemerkte einen Blick in ihren Augen, dessen Aussagekraft deutlich zunahm. Er erinnerte mich an den eines Raubtieres, das seine Beute fixierte.
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