Crisis
nicht politisch korrekt ist, so etwas zu sagen, aber ich bin der beste Arzt, den ich kenne. Das wurde mir wieder und wieder bestätigt. Während des Studiums war ich immer einer der Besten, wenn nicht sogar der Beste, und mit der Zeit bin ich geradezu süchtig nach Anerkennung geworden. Ich will dieses Lob, und deshalb ist das, was ich hier bei diesem Behandlungsfehler-Martyrium zu hören bekomme, so verdammt schmerzhaft und demütigend.«
Nach diesem Ausbruch verstummte er. Alexis und Jack hatte es vor Verblüffung die Sprache verschlagen. Der Kellner kam an ihren Tisch und räumte das schmutzige Geschirr ab. Alexis und Jack wechselten einen flüchtigen Blick, ehe sie Craig erneut mit großen Augen anstarrten.
»Sagt doch etwas!«, forderte Craig.
Alexis breitete die Hände aus und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll. Willst du eine emotionale Antwort oder eine professionelle?«
»Versuch die professionelle Variante. Ich glaube, ich brauche den Realitäts-Check. Ich befinde mich im freien Fall. Und weißt du warum? Ich kann dir sagen warum. Als ich mir auf dem College den Arsch aufgerissen habe, fand ich das echt zum Kotzen, aber ich dachte, wenn ich endlich Medizin studieren würde, hätte ich es so gut wie geschafft. Na ja, das Medizinstudium war genauso zum Kotzen, und deshalb konnte ich es kaum erwarten, endlich Assistenzarzt zu werden. Vermutlich erkennt ihr langsam, worauf ich hinauswill. Also gut, die Zeit als Assistenzarzt war auch kein Zuckerschlecken, aber bald würde ich ja meine eigene Praxis eröffnen. Und da bin ich dann dank der Versicherungen, des kostenorientierten Gesundheitsmanagements und diesem ganzen Schwachsinn, mit dem sie einen fertigmachen, endgültig in der Wirklichkeit gelandet.«
Jack sah zu Alexis hinüber. Sie hatte Mühe, nach diesem unerwarteten Geständnis die richtigen Worte zu finden, aber er hoffte, dass ihr etwas einfallen würde, denn er war dazu nicht in der Lage. Craigs Monolog hatte ihn schockiert. Psychologie war beim besten Willen nicht seine Stärke. Eine Zeitlang hatte er selbst all seine Kraft gebraucht, um nicht völlig zusammenzubrechen.
»Deine Einsicht ist bemerkenswert«, setzte Alexis an.
»Komm mir jetzt nicht mit irgendwelchem gönnerhaften Mist«, fauchte Craig.
»Ich mein es ernst, glaub mir«, entgegnete Alexis. »Ich bin beeindruckt. Wirklich! Was du uns zu sagen versuchst, ist, dass deine romantische Natur permanent enttäuscht wurde, da die Realität niemals deinen idealisierten Erwartungen entsprochen hat. Jedes Mal, wenn du ein Ziel erreicht hast, war es nicht so, wie du es dir vorgestellt hattest. Das ist tragisch.«
Craig verdrehte die Augen. »Für mich klingt das wie Mist.«
»Ist es aber nicht«, beharrte Alexis. »Denk mal darüber nach.«
Craig presste die Lippen aufeinander und runzelte die Stirn. »Okay«, sagte er nach einer Weile. »Es ergibt Sinn.
Trotzdem klingt es wie eine verdammt umständliche Form von ›Hat wohl nicht ganz hingehauen‹. Aber ich war noch nie gut in diesem Psychojargon.«
»Du hast mit einigen Konflikten zu kämpfen gehabt«, fuhr Alexis fort. »Es war nicht einfach für dich.«
»Ach, wirklich«, versetzte Craig herablassend.
»Reagier nicht gleich wieder so abwehrend«, drängte Alexis. »Du hast mich ausdrücklich um meine professionelle Einschätzung gebeten.«
»Du hast Recht! Entschuldige! Erzähl mir was über die Konflikte.«
»Der einfachste Konflikt ist der zwischen praktischer Medizin und wissenschaftlicher Forschung. Das hat dich in der Vergangenheit einige Anstrengung gekostet, weil du nicht anders kannst, als dich allem, womit du dich beschäftigst, mit hundertprozentigem Einsatz zu widmen. Aber in diesem Fall ist es dir gelungen, einen Mittelweg zu finden. Ein viel problematischerer Konflikt ist der zwischen der Konzentration auf deine Praxis und der Konzentration auf deine Familie. Das hat eine Menge Spannungen verursacht.«
Craig starrte Alexis an, sagte jedoch nichts.
»Aus nahe liegenden Gründen kann ich nicht objektiv sein«, fuhr Alexis fort. »Ich möchte dich nur ermutigen, diese Einsichten mit professioneller Hilfe weiter zu vertiefen.«
»Ich bitte nicht gerne um Hilfe«, entgegnete Craig.
»Das weiß ich, aber selbst diese Einstellung sagt etwas über dich aus, das dir wertvolle Erkenntnisse liefern könnte, wenn du es weiter vertiefst.« Alexis wandte sich an Jack. »Möchtest du dem etwas hinzufügen?«
Jack hob die Hände. »Nein. Auf dem
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