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Crisis

Titel: Crisis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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sie reagieren würde. Da kam ihm plötzlich ein feiger Gedanke. Statt sie auf ihrem Festnetzanschluss im Büro anzurufen, wo er sie wahrscheinlich erwischen würde, könnte er sie auf dem Handy anrufen und einfach nur eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen, da sie ihr Mobiltelefon tagsüber nur selten einschaltete. Auf diese Weise würde er ihrer ersten Reaktion ausweichen und sie konnte sich schon einmal an den Gedanken gewöhnen, ehe er sie abends noch einmal zurückrufen würde. Er wählte ihre Nummer und hörte erleichtert die Ansage.
    Nachdem er diese etwas unangenehme Aufgabe hinter sich gebracht hatte, kehrte Jack auf seinen Platz neben Alexis zurück. Jordan Stanhope saß im Zeugenstand, und Tony Fasano stand am Pult, aber niemand sprach. Tony war mit seinen Unterlagen beschäftigt.
    »Was habe ich verpasst?«, flüsterte Jack Alexis zu.
    »Nichts. Jordan ist gerade vereidigt worden und beginnt gleich mit seiner Aussage.«
    »Die Autopsie findet morgen im Laufe des Tages statt. Die Leiche soll morgen früh exhumiert werden.«
    »Das ist gut«, sagte Alexis, aber ihre Reaktion fiel nicht so aus, wie Jack erwartet hatte.
    »Du klingst nicht sonderlich begeistert.«
    »Wie könnte ich? Wie Craig beim Mittagessen schon sagte: Morgen ist es vielleicht zu spät.«
    Jack zuckte die Achseln. Er tat sein Bestes.
    »Ich weiß, dass das schwer für Sie ist«, rief Tony in mitfühlendem Ton, so dass jeder im Gerichtssaal ihn hören konnte. »Ich werde versuchen, es für Sie so kurz und schmerzlos wie möglich zu machen, aber die Geschworenen müssen Ihre Aussage hören.«
    Jordan nickte dankbar. Statt der aufrechten Haltung, die er am Tisch des Klägers gewahrt hatte, ließ er die Schultern hängen, und statt seiner bislang ausdruckslosen Miene wirkte er nun niedergeschlagen und verzweifelt. Er trug einen schwarzen Seidenanzug, weißes Hemd und schwarze Krawatte. In seiner Brusttasche steckte ein kaum sichtbares schwarzes Tuch.
    »Ich nehme an, Sie vermissen Ihre Gemahlin«, sagte Tony. »Sie war eine wunderbare, leidenschaftliche, kultivierte und lebenslustige Frau, nicht wahr?«
    »Großer Gott!«, stöhnte Jack und flüsterte Alexis zu: »Nach meinem Besuch bei ihm wird mir davon gleich schlecht. Und ich wundere mich über Randolph. Ich bin zwar kein Anwalt, aber das ist ganz sicher eine Suggestivfrage. Warum erhebt er keinen Einspruch?«
    »Er hat mir erzählt, dass die Aussage der Witwe oder des Witwers für die Verteidigung immer der problematischste Teil ist. Er sagt, die beste Strategie sei es, sie einfach so schnell wie möglich wieder aus dem Zeugenstand herauszubekommen, was bedeutet, dass dem klägerischen Anwalt relativ freie Hand gelassen wird.«
    Jack nickte. Der Schmerz, den man beim Verlust eines Angehörigen empfand, war ein Gefühl, das jeden als eine fundamentale menschliche Erfahrung berührte.
    Auf Tonys Frage hin steigerte Jordan sich in süßlich sentimentale Erinnerungen an Patience hinein: wie wunderbar sie gewesen sei, welche Bilderbuchehe sie geführt hätten und wie sehr er sie geliebt habe. Und jedes Mal, wenn er ins Stocken geriet, half Tony ihm mit neuen Suggestivfragen weiter.
    Während dieser Teil von Jordans Aussage sich zäh in die Länge zog, drehte Jack den Kopf und ließ seinen Blick über die Reihen der Zuschauer schweifen. Er sah Franco, der diesmal nicht ihn, sondern den Zeugen beobachtete, was ihn mit einer gewissen Erleichterung erfüllte. Jack hoffte, dass er das Vergangene ruhen lassen würde. Er suchte jemand anders und entdeckte sie in der letzten Reihe. Es war Charlene. In ihrer schwarzen Trauerkleidung sah sie ausgesprochen hinreißend aus. Jack schüttelte den Kopf. Manchmal konnte er einfach nicht glauben, zu welcher Verdorbenheit Menschen fähig waren. Sie hätte einfach nicht dort sein dürfen, und wenn es nur aus dem einen Grund gewesen wäre, den Schein zu wahren.
    Je länger die Lobeshymnen dauerten, desto kribbeliger wurde Jack. Er brauchte sich das unsinnige Geschwätz dieses Schwindlers nun wirklich nicht anzuhören. Er richtete seinen Blick wieder auf Craigs Hinterkopf. Sein Schwager saß reglos da, als sei er in Trance versunken. Jack versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, wenn er selbst in einem solchen Albtraum gefangen wäre. Er wagte einen flüchtigen Blick in Alexis’ Richtung. Sie war aufs Äußerste konzentriert und hatte die Augen leicht zusammengekniffen. Er wünschte ihr das Beste und bedauerte, dass er nicht mehr für sie tun

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