Crisis
geweigert. Er war sogar wütend geworden, als sie ihren Vorschlag eine Woche später wiederholt hatte, weil er zusehends depressiver wurde.
Während Alexis immer noch schwankte, ob sie zu Craig und Randolph hinübergehen oder lieber bleiben sollte, wo sie war, bemerkte sie eine andere Person, die nach dem allgemeinen Aufbruch im Zuschauerbereich geblieben war. Die Kleidung, die von Stil, Farbe und Schnitt her beinahe identisch mit der des klägerischen Anwalts war, erregte ihre Aufmerksamkeit. Hinzu kam eine ähnliche eckige Statur und das dunkle Haar, das die beiden auf den ersten Blick wie Zwillinge erscheinen ließ, jedenfalls so lange sie nicht nebeneinanderstanden, denn der Mann im Zuschauerraum war mindestens anderthalbmal so groß wie Tony Fasano. Außerdem war sein Teint nicht ganz so dunkel, und im Gegensatz zu Tony, dessen Gesicht so glatt war wie ein Babypopo, wies seine Haut die bedauerlichen Folgen schlimmer Pubertätsakne auf. Die zurückgebliebenen Narben auf seinen Wangen waren so tief, dass es aussah, als stammten sie von einer Verbrennung.
In diesem Moment brach Tony Fasano die Unterredung mit seiner Assistentin ab, schnappte seine straußenlederne Aktentasche und stürmte auf dem Weg zum Ausgang durch das Türchen in den Zuschauerbereich. Sein Ärger über den Fehler bezüglich der Entscheidung der Kommission war offensichtlich. Alexis fragte sich, warum er so übertrieben reagierte, denn aus ihrer Sicht war sein Eröffnungsplädoyer bedauerlich wirkungsvoll gewesen, und das war zweifellos auch der Grund, warum Craig so trübsinnig vor sich hin brütete. Tonys Assistentin trottete gehorsam hinter ihrem Chef her. Ohne den geringsten Seitenblick oder auch nur ein Stocken in seinem Gang rief Tony: »Franco« und bedeutete dem anderen Mann mit einem Wink, ihm zu folgen. Franco gehorchte, und einen Moment später waren alle drei durch die schwere zweiflügelige Tür zum Korridor verschwunden, die mit lautem Knall hinter ihnen zufiel.
Alexis sah zurück zu ihrem Mann. Er hatte sich nicht bewegt, aber Randolph schaute jetzt in ihre Richtung. Als er ihren Blick auffing, winkte er ihr, sie solle zu ihnen kommen. Nach dieser ausdrücklichen Einladung tat sie ihm den Gefallen gerne. Als sie zu ihnen trat, sah Craigs Miene genauso niedergedrückt aus, wie sie es anhand seiner Haltung vermutet hatte.
»Sie müssen mit ihm reden!«, befahl Randolph, der mit einem Anflug von Gereiztheit von seiner bewusst gepflegten patrizierhaften Selbstbeherrschung abwich. »Er darf hier nicht länger so mutlos und geschlagen herumsitzen. Meiner Erfahrung nach besitzen Geschworene besondere Antennen. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie die innere Einstellung der Prozessbeteiligten spüren und dementsprechend ihr Urteil fällen.«
»Wollen Sie damit sagen, dass die Geschworenen gegen Craig entscheiden könnten, nur weil er deprimiert ist?«
»Genau das will ich damit sagen. Sie müssen ihm sagen, dass er gefälligst positiv denken soll! Wenn er diese negative Haltung noch lange beibehält, besteht die Gefahr, dass sie annehmen, er habe den ihm vorgeworfenen Behandlungsfehler tatsächlich begangen. Ich will damit nicht behaupten, dass sie den Zeugen nicht mehr zuhören oder die Beweise nicht angemessen berücksichtigen werden, aber sie werden es lediglich mit dem Gedanken tun, dadurch vielleicht ihren ersten Eindruck zu widerlegen. Ein solches Auftreten verwandelt eine neutrale Jury in eine voreingenommene Jury und verschiebt die Beweislast vom Kläger, wo sie hingehört, zu uns, dem Beklagten.«
Alexis sah auf Craig hinab, der die Hände vors Gesicht geschlagen hatte und seine Schläfen massierte. Seine Augen waren geschlossen. Er atmete durch den offenen, schlaffen Mund. Ihn zu einer positiveren Haltung zu bewegen war ganz schön viel verlangt. Während der acht Monate vor dem Prozess hatte er unablässig mit depressiven Phasen gekämpft. Der einzige Grund, warum er sich an diesem Morgen und in den Tagen kurz vor der Verhandlung überhaupt zusammengerissen hatte, war die Aussicht, bald alles hinter sich zu haben. Doch mit Prozessbeginn hatte bei ihm offensichtlich die Erkenntnis eingesetzt, dass das Verfahren möglicherweise mit einem Schuldspruch enden könnte. Und deprimiert zu sein war darauf eine vollkommen verständliche Reaktion.
»Warum gehen wir nicht alle zum Mittagessen, dann können wir uns in Ruhe unterhalten«, schlug Alexis vor.
»Mr Cavendish und ich werden das Mittagessen ausfallen lassen müssen«,
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