Crisis
Concierge in einem Hotel.«
»Der Vergleich leuchtet ein.«
»Dazu erhält jeder Patient die Handynummer und/oder die E-Mail-Adresse des Arztes, so dass er sich jederzeit mit ihm in Verbindung setzen und notfalls sofort behandelt werden kann.«
»Klingt wie eine Einladung zum Missbrauch für die Patienten.«
»Für manche Patienten bestimmt. Aber das war Craig egal. Im Grunde schien er es sogar zu mögen, denn er begann nach Praxisschluss noch Hausbesuche zu machen. Ich glaube, das hatte für ihn etwas Altmodisches und Nostalgisches.«
»Hausbesuche?«, fragte Jack. »Hausbesuche sind normalerweise reine Zeitverschwendung. Als moderner Arzt ist man dabei in seinen Behandlungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt.«
»Trotzdem sind manche Patienten davon begeistert, unter anderem auch die Verstorbene. Craig hat sie oft außerhalb der Praxiszeiten besucht. Tatsächlich war er sogar noch am Morgen des Tages bei ihr zu Hause, an dem dieser Behandlungsfehler passiert sein soll. Abends verschlimmerte sich ihr Zustand, und Craig fuhr wieder zu ihr.«
»Ich kann mir kaum vorstellen, wie ihm jemand das zum Vorwurf machen sollte.«
»Das würde man annehmen, aber laut dem Anwalt des Klägers liegt der Behandlungsfehler gerade darin, dass Craig diesen Hausbesuch gemacht hat, statt die Patientin unverzüglich ins Krankenhaus einzuweisen, da dadurch der Zeitpunkt der Diagnose und der Beginn der notärztlichen
Versorgung des Herzinfarktes verzögert wurde.«
»Das klingt doch absurd«, empörte sich Jack.
»Nicht, wenn man den klägerischen Anwalt in seiner Eröffnung gehört hat. Und du musst wissen, dass es noch ein paar andere Umstände gibt, die in diesem Fall eine Rolle spielen. Zu jenem Zeitpunkt waren Craig und ich offiziell getrennt. Er wohnte damals in einer Wohnung in Boston zusammen mit einer seiner attraktiven Bürogehilfinnen namens Leona.«
»Großer Gott!«, rief Jack. »Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich schon von verheirateten Ärzten gehört habe, die eine Affäre mit ihrer Praxisgehilfin haben. Ich verstehe nicht, was mit diesen Ärzten los ist. In anderen Bereichen würden sich die meisten Männer heutzutage hüten, etwas mit ihren Angestellten anzufangen. Das schreit doch geradezu nach juristischen Problemen.«
»Ich würde sagen, du bist zu großzügig verheirateten Männern mittleren Alters gegenüber, die erkennen, dass sie in einer Realität gefangen sind, die ihren romantischen Erwartungen nicht gerecht wurde. Ich glaube, Craig fällt in diese Kategorie, aber der eigentliche Reiz war nicht Leonas dreiundzwanzigjähriger Körper. Ironischerweise war der Auslöser sein Einstieg in diese Concierge-Praxis, denn dadurch bekam er etwas, das er vorher niemals hatte: Freizeit. Und freie Zeit kann für jemanden, der sein halbes Leben lang so sehr auf eine einzige Sache fokussiert war wie Craig, gefährlich werden. Es hatte den Anschein, als wachte er plötzlich auf, sähe in den Spiegel und mochte nicht, was er darin sah. Mit einem Mal entwickelte er ein manisches Interesse an Kultur. Er wollte die verlorene Zeit aufholen und über Nacht seiner Vorstellung von einem vielseitigen Menschen entsprechen. Aber es genügte ihm nicht, das allein und lediglich als Hobby zu betreiben. Genau wie zuvor bei der Medizin wollte er sich diesem Ziel mit hundertprozentigem Einsatz widmen, und er bestand darauf, dass ich mich ihm anschloss. Aber das konnte ich ja nicht, nicht bei meinem Beruf und der Verantwortung für die Mädchen. Das war es, was ihn schließlich vertrieben hat, zumindest soweit ich weiß. Leona kam erst später, als ihm klar wurde, dass er einsam war.«
»Falls du versuchst, mich dazu zu bringen, Mitleid mit ihm zu haben, wird es dir nicht gelingen.«
»Ich will nur, dass du weißt, womit wir es zu tun haben. Der Anwalt des Klägers weiß, dass Craig und Leona an dem Abend, an dem die Frau des Klägers starb, Karten für ein Konzert in der Symphony Hall hatten. Er behauptet, Zeugenaussagen würden beweisen, dass Craig diesen Hausbesuch machte, obwohl er vermutete, dass die Patientin einen Herzinfarkt erlitten hatte, um die winzige Chance zu nutzen, dass es doch nicht so war. Denn dann hätte er es noch rechtzeitig ins Konzert geschafft. Das Haus des Klägers liegt näher an der Symphony Hall als das Newton Memorial Hospital.«
»Lass mich raten – diese Leona soll als Zeugin aussagen.«
»Natürlich! Jetzt ist sie die verschmähte Geliebte. Um das Ganze noch schlimmer zu machen, arbeitet sie
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