Cristóbal: oder Die Reise nach Indien
hervorzurufen.
Ich war der Aufpasser meines Bruders. Mir oblag es sicherzustellen, dass diese Eheschließung nicht wie viele andere Ehen der siegreiche Feind seines Traums werden würde.
Zum Vorwand nahm ich einen Besuch, den Filipa ihren Cousins abstatten musste, um sie persönlich zur Hochzeitsfeier einzuladen. Sie wohnten an der Straße nach Santarém. Filipa nahm meinen Vorschlag an, sie zu begleiten. Sie war nicht auf den Kopf gefallen. Sie wusste, dass sie meinen Fragen nicht würde ausweichen können.
Auf dem Weg befragte ich sie ohne Umschweife, welche Art von Liebe sie für ihren zukünftigen Gatten empfand? Sie erwiderte, sie gehöre nicht zu diesen Gelehrten, die zwischen den Arten unterscheiden, aber kurz nach ihrer Begegnung mit Cristóbal habe eine glühende Woge sie erfasst und erfülle sie jetzt vom Haaransatz bis zu den Zehenspitzen, und nach allem, was ihre Mutter ihr etwas zweideutig gesagt habe, sei diese Woge die große Liebe:
«Freu dich, Töchterchen, dein armer Vater, er ruhe in Frieden, hat mich nie so vollständig und auf so feurige Weise beglückt, beileibe nicht!»
Ich errötete und fuhr mit meinem Verhör fort.
«Glaubst du, du kannst alles an ihm annehmen?»
«Du wirst mein Ja in der Kirche hören. Ich werde es dem Priester ins Gesicht schreien!»
«Bist du bereit, den Traum zu unterstützen, den er hegt?»
«Mit all meiner Kraft.»
«Selbst wenn dieser Traum dich verzehrt, wie er mich verzehrt hat und wie er ihn selbst verzehrt? Und im Übrigen, was für eine Kraft schreibst du dir eigentlich zu, wo du doch ein so blasses Gesicht hast und so zerbrechlich wirkst?»
«Diese Blässe, diese Schwäche sind lediglich die Erinnerung an die Zeit, in der ich kalt war. Ich habe darauf gewartet, dass eine Flamme mir Leben einhaucht. Hört nur, wie ich zu Euch spreche! Das ist der Beweis, dass schon wieder Blut in mir fließt.»
«Hat deine Mutter dich nicht gewarnt?»
«Meine Mutter sagt mir fortwährend, dass dieser Traum und der Ruhm, den er einst zeitigen wird, unsere Familie vom Spott befreien wird, der uns seit der Sache mit den Kaninchen quält.»
Wir gingen unseren stets so ruhigen Tejo entlang. Ich dachte an gewisse sehr viel stürmischere Gefilde. Ich dachte an jenes berühmte Porto Santo, das ich noch nicht kannte und wo Filipa ihre Kindheit zugebracht hatte. Wie widerstehen die Inseln dem dauernden Ansturm der See? Wenn man auf einer dieser Inseln lebt, und sei sie von Kaninchen heimgesucht, zehrt man von dieser Tapferkeit. Ohne jeden Zweifel war dort Filipas unbezähmbare Seele geschmiedet worden, und ihr Leib musste ihr gehorchen, ob er wollte oder nicht. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie sie an meiner Seite trippelte, über die Kiesel glitt, sich an einem Olivenzweig festhielt, weiterging, ohne gegen die hohe Geschwindigkeit zu protestieren, die ich auf unserem Spaziergang vorgab. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn. Da kam ein Wind in mir auf, ein Wind, den ich besser kenne als alle anderen, der heftige Windder Eifersucht. Versteh mich richtig, Las Casas: Niemals, zu keinem Zeitpunkt, habe ich diese Frau begehrt, die viel zu dünn für mich war. Ich liebe Fülle, üppiges und festes Fleisch, Leiber, die einen umfangen, überwältigen, in denen man sich verlieren kann. Neidisch war ich allerdings auf diese schöne Liebe, die mein Bruder entzündet hatte. Was für ein Feuer hatte er nur in sich, mit dem er alle und jeden entflammte, denen er begegnete?
Ich setzte mein Verhör noch ein wenig fort. Doch meine Meinung stand schon fest.
«Und wo wollt ihr leben?»
«Wo er es für gut befindet.»
«Und was denkst du über sein Unternehmen?»
«Ich hätte nie einen Mann ohne Pläne geheiratet.»
Sie strengte sich an, um sprechen zu können, so atemlos war sie. Ich hatte Erbarmen mit ihr, schlug ihr vor, uns auf einen Hügel zu setzen und ein wenig auszuruhen. Während sie Luft schöpfte, sagte ich ihr, welch guten Eindruck sie bei mir machte.
Sie drehte sich zu mir.
«Ich habe Euch nicht um Eure Meinung gefragt. Doch ich nehme sie gerne an.»
Ich dachte, dass bald ein entschlossener Seemann mehr zu Cristóbals Mannschaft gehören würde.
Wer seinen Bruder liebt und in dem Moment, wo er von dessen bevorstehender Eheschließung erfährt, singt, tanzt und überall herumerzählt, wie sehr er sich über die gute Nachricht freue, das schönste Ereignis seit Menschengedenken, der ist ein Lügner.
Sicher, ein Teil der Seele strahlt: Natürlich
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