Cromwell, Bernard
Erdreich am Flussufer, wo Reiher hoch oben in
den Bäumen nisteten; farbenprächtige Eisvögel sausten von beiden Uferseiten
quer über die Wasserfläche. »Und von hier nach Ratharryn ...«, meinte Lewydd,
»wie lange das dauern wird, weiß ich nicht.« Er erklärte, dass sie dem Sul
folgen könnten, bis er zu seicht für die Boote wurde; dort würden die Steine
und die Boote dann ans Ufer gehievt und auf Schlitten zu einem anderen Fluss
gezogen werden müssen, der etwa eine Tagesreise entfernt war. Dieser Fluss
strömte in den Mai, und sobald sie den Fluss Mai erreicht hätten, könnten sie
stromaufwärts paddeln, bis sie nach Ratharryn gelangten.
»Weitere Schlitten?«, erkundigte Saban sich.
»Die Leute von Ratharryn werden sie bauen. Oder die
Bewohner von Drewenna.« Lewydd kannte den Grund für das Stammestreffen, das der
neue Clanführer von Drewenna angesetzt hatte. Die Steine müssten durch sein
Land befördert werden, und für die Durchreise würden sie seine Unterstützung
brauchen - zweifellos wollte Starkis eine reiche Belohnung dafür, wenn er
Tempelsteine vor seinen Speerkämpfern verschonte.
Jetzt verengte sich der Fluss unter den grünen Bäumen,
und jedes Boot trug einen dicht belaubten Zweig an seinem Bug, um zu zeigen,
dass die Männer aus Sarmennyn in Frieden kamen; dennoch rannten die Leute, die
sie den Fluss heraufkommen sahen, ängstlich davon und versteckten sich hastig.
»Bist du schon einmal in Sul gewesen?«, fragte Saban Lewydd.
»Noch nie«, erwiderte Lewydd. »Obwohl wir manchmal bei
unseren Raubzügen in die Nähe der Siedlung vorgedrungen sind.« Er erklärte,
dass die Siedlung Sul zu groß und zu gut bewacht war und dass die Plünderer
von Sarmennyn daher immer einen Bogen um den Ort machten.
Die Siedlung war berühmt, denn sie galt als das Heim der
Göttin Sul, die heißes Wasser aus der Erde quellen ließ und so dem Fluss, der
sich um die Spalten in den Felsen schlängelte, wo diese wundervolle Quelle sprudelte,
ihren Namen gegeben hatte. Der Clanführer von Drewenna herrschte über die
Siedlung und ließ sie streng bewachen; denn Sul zog Scharen von Leuten an, die
Heilung suchten, und die Bittsteller mussten Geschenke mitbringen, wenn sie
Zugang zu den Quellen haben wollten. Saban hatte schon viele Geschichten über Sul
gehört; seine Mutter hatte ihm erzählt, wie einst ein Ungeheuer dort lebte,
eine riesige Bestie, größer noch als ein Auerochse, mit einer Haut, so hart wie
Knochen, mit einem großen Horn auf der Stirn und gewaltigen Hufen, schwerer als
Steine. Jeder, der zu den heißen Quellen zu gelangen versuchte, musste zuerst
an dem Ungeheuer vorbei, und keinem war es jemals gelungen, nicht einmal dem
großen Helden Yassana, dem Sohn von Slaol, dessen Lenden das gesamte Volk von
Ratharryn entstammte. Aber dann hatte Sul ein Schlaflied gesungen, wobei das
Ungeheuer seinen schweren Kopf in ihren Schoß bettete, und sie hatte ihm eine
Flüssigkeit ins Ohr gegossen; daraufhin hatte sich das Ungeheuer in Stein
verwandelt und Sul eingeschlossen. Das Ungeheuer und die Göttin waren noch
immer da, hatte Sabans Mutter erzählt, und nachts konnte man ihr trauriges
Schlaflied von den Felsen aufsteigen hören, wo das heiße Wasser sprudelte.
Die berühmte Siedlung lag am Nordufer des Flusses.
Stromabwärts dehnten sich weite Felder in gerodeten Wäldern, die einst in dem
fruchtbaren Tal standen, und eine große Zahl von Booten lag am Ufer, hinter dem
Saban Rauch von reetgedeckten Hütten aufsteigen sah. Die Hügel ragten ziemlich
nahe zu beiden Seiten des Flusses auf, steile Hügel, die im Vergleich zu Sarmennyns
kahlen, sturmumtosten Hängen jedoch saftig und grün wirkten.
Das Volk in Sul hatte gehört, dass Boote stromaufwärts
zogen, und am Anleger wartete bereits eine Gruppe von Tänzerinnen, um Kereval
und seine Begleiter willkommen zu heißen. Scathel ging als Erster an Land. Der
Priester war nackt und trug einen großen gebogenen Knochen, die Rippe eines
Meeresungeheuers; er kauerte sich in den Schlamm und reckte prüfend die Nase in
die Luft, um Gefahren ausfindig zu machen, dann drehte er sich dreimal im
Kreis, bevor er den Ort für sicher erklärte.
Stakis, ein narbenbedeckter junger Krieger, der neue
Clanführer von Drewenna, begrüßte die fremdländische Abordnung, und Saban fiel
die Aufgabe zu, seine blumigen Worte zu übersetzen. Stakis umarmte Saban und
erklärte, er freue sich sehr, den Bruder des mächtigen Lengar kennen zu lernen,
obwohl Saban spürte, dass
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