Cromwell, Bernard
Tötungsmal, kleiner
Bruder? Und nur ein Sohn, wie ich gehört habe? Ich habe sieben, die ich
anerkenne, aber ich habe noch jede Menge anderer Söhne gezeugt.« Er zog Saban
an seinem Hemd und führte ihn zu den Hütten, die für die Abordnung aus
Ratharryn vorgesehen waren. »Dieser Tempel«, fragte er mit gedämpfter Stimme,
»ist er wirklich ein Kriegstempel?«
»Jawohl, Sarmennyns großer Kriegstempel«, erklärte Saban.
»Sein geheimes Heiligtum.«
Lengar schien beeindruckt. »Und er wird uns zum Sieg
verhelfen?«
»Er wird dich zum größten Kriegsherrn aller Zeiten
machen«, versprach Saban.
Lengar sah erfreut aus. »Und was werden die Bewohner von
Sarmennyn tun, wenn ich ihren Tempel nehme und ihr Gold behalte?«
»Vielleicht werden sie gar nichts tun«, murmelte Saban,
»aber zweifellos wird dich Slaol bestrafen!«
»Mich bestrafen!«, fuhr Lengar zornig auf und wich einen
Schritt zurück. »Du klingst genau wie Camaban. Wo ist er übrigens?«
»Er ist fortgegangen, um sich den Tempel der Göttin
anzusehen.« Saban wies mit einer Kopfbewegung auf den hohen Palisadenzaun, der
die Siedlung und die Quelle der Göttin umgab; als er sich wieder zu seinem Bruder
umwandte, sah er Jegar auf sich zukommen.
Saban war überrascht über den intensiven Hass, der bei
Jegars Anblick in ihm aufwallte, und einen Moment lang wurde er wieder von all
dem alten Schmerz um Derrewyn überwältigt. Seine Gefühle mussten sich wohl auf
seiner Miene widerspiegeln, denn Lengar wirkte erfreut über seine Reaktion. »Du
erinnerst dich an Jegar, kleiner Bruder?«, fragte er.
»Ich erinnere mich an ihn«, erwiderte Saban stoisch,
während er seinem Feind starr in die Augen blickte. Jegar schien jetzt reich
zu sein, denn er war in einen Umhang aus prächtigen Otterfellen gehüllt und
trug eine goldene Kette um den Hals und ein Dutzend Goldringe an den Fingern;
aber die Finger seiner rechten Hand waren immer noch verkrümmt und unbrauchbar,
wie Saban bemerkte. Sein Haar wies Streifen aus rotem Ocker auf, und seinen
Bart hatte er zu kleinen Zöpfen geflochten.
»Nur eine einzige Tätowierung, Saban?«, fragte auch Jegar
verächtlich.
»Ich könnte noch eine haben, wenn ich wollte«, sagte Saban
trotzig.
»Noch eine!« Jegar tat so, als wäre er
beeindruckt; dann schüttelte er den Otterfellumhang von den Schultern, um seine
Brust zu enthüllen, die über und über mit Tätowierungen bedeckt war. Jede
blaue Narbe bestand aus einer Reihe von Punkten, die mit einem Knochenkamm in
seine Haut gehämmert worden waren. »Jede Narbe ist der Geist eines getöteten
Feindes«, prahlte Jegar, »und jeder Punkt eine Frau, die ich mir zu Eigen
gemacht habe.« Er legte einen Finger auf einen blauen Punkt. »Und ich erinnere
mich noch sehr gut an diese hier. Sie hat sich heftig gewehrt! Sie hat
geschrien!« Er blickte Saban durchtrieben an. »Erinnerst du dich an sie?« Saban
schwieg, und Jegar lächelte kalt. »Und als sie danach weinte, hat sie
geschworen, dass du dich an mir rächen würdest.«
»Ich halte Schwüre, die in meinem Namen geleistet werden«,
versicherte Saban steif.
Jegar brüllte vor Lachen, und Lengar boxte Saban leicht
vor die Brust. »Du wirst Jegar in Ruhe lassen«, mahnte er, »weil er mich bei
den morgigen Verhandlungen vertreten wird.« Er wies auf die große gerodete Fläche,
umzäunt von einem Kreis aus Holzpfählen, wo die Verhandlungen zwischen den drei
Stämmen stattfinden würden.
»Du wirst nicht selbst sprechen?«, fragte Saban
schockiert.
»Man hat mir berichtet, dass sich in dem Wald nördlich
von hier ein Auerochsenbulle aufhält«, erklärte Lengar lässig, »und ich habe
die Absicht, Jagd auf ihn zu machen. Jegar weiß, was er Stakis sagen soll.«
»Stakis wird beleidigt sein«, protestierte Saban.
»Gut. Es ist Drewenna, und ich bin Ratharryn. Er verdient
es, beleidigt zu werden!« Lengar wandte sich ab und zog davon, drehte sich aber
nochmals zu Saban um. »Wie bedauerlich, dass du deine Frau nicht mitgebracht
hast, Saban! Ich hätte gerne herausgefunden, ob sie wirklich so schön ist, wie
alle sagen.«
»Bestimmt ist sie das«, forderte Jegar Saban heraus.
»Deine letzte Frau war auch sehr schön. Wusstest du übrigens, dass sie jetzt
als Zauberin in Cathallo lebt? Sie belegt uns mit Flüchen und bösen Zaubern —
aber wie du siehst, leben wir beide noch. Und wir können beide nicht klagen.«
Er hielt inne. »Ich freue mich schon darauf, deine Frau kennen zu lernen,
Saban.« Höchst zufrieden
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