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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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einen Luftangriff gewartet. Ich
hatte Glück; ich war ein paar hundert Meter weit flussaufwärts gegangen, weg
von den Bäumen, um ein gutes GPS-Signal zu finden. Ich hörte die Schreie und
dann die Schüsse, aber bevor ich zurückkam, war der Schwarm bereits
flussabwärts gezogen. An dem Abend starben vier Leute, darunter Claudia.
Massenhaft Fledermäuse hatten sich auf sie gestürzt. Sie versuchte noch, zum
Fluss zu kommen - vermutlich dachte sie, sie könnte sie dort abschütteln -,
doch sie schaffte es nicht mehr. Als wir sie erreichten, hatte sie so viel
Blut verloren, dass sie keine Chance mehr hatte. In dem Chaos wurden sechs
andere gebissen oder gekratzt, und alle sind jetzt krank und sehen aus, als litten
sie an einer beschleunigten Version des Bolivianischen Hämorrhagischen Fiebers
- Blutungen aus Mund und Nase, Haut und Augäpfel rosarot von geplatzten
Kapillargefäßen, hohes Fieber, Wasser in der Lunge, Koma. Wir hatten Kontakt
mit der Gesundheitsbehörde, aber ohne eine Gewebeanalyse ist man auf
Vermutungen angewiesen. Tim haben die Viecher beide Hände praktisch abgekaut,
als er versuchte, sie von Claudia herunterzureißen. Ihm geht's am
schlechtesten. Ich habe ernsthafte Zweifel daran, dass er morgen früh noch
lebt.
     
    Gestern Abend kamen sie wieder. Die Soldaten
hatten einen Verteidigungsring errichtet, aber es waren einfach zu viele - es
müssen Hunderttausende gewesen sein, ein riesiger Schwarm, der die Sterne verdunkelte.
Drei Soldaten tot, und Cole. Er stand direkt vor mir; sie haben ihn regelrecht
hochgehoben, bevor sie sich in ihn hineinfraßen wie heiße Messer in die
Butter. Es war kaum noch etwas von ihm übrig, das wir begraben konnten.
     
    Heute Nacht ist es still, keine Fledermaus am
Himmel. Wir haben einen Ring von Feuern um das Camp herum angezündet, das
scheint sie in Schach zu halten. Sogar die Soldaten sind ziemlich verdattert.
Die wenigen, die von unserem Team noch übrig sind, überlegen jetzt, wie es
weitergehen soll. Ein großer Teil unserer Ausrüstung ist zerstört; es ist nicht
ganz klar, wie es passiert ist, aber irgendwann während des Angriffs gestern
Abend flog ein Granatengurt ins Feuer, und die Explosion tötete einen Soldaten
und demolierte einen Generator sowie das meiste von dem, was im Materialzelt
untergebracht war. Wir haben allerdings immer noch die SATCOM-Anlage und genug
Strom, um die Evakuierung anzufordern. Wahrscheinlich sollten wir alle nur
machen, dass wir hier rauskommen.
     
    Und trotzdem. Wenn ich mich frage, warum ich
jetzt umkehren sollte und was zu Hause auf mich wartet, fällt mir nichts ein.
Es wäre etwas anderes, wenn Liz noch lebte. Ich glaube, im letzten Jahr hat ein
Teil meiner selbst einfach so getan, als wäre sie einfach nur für eine Weile
weggegangen, als würde ich eines Tages aufblicken und sie stände in der Tür und
lächelte, wie sie es immer getan hat, den Kopf zur Seite gelegt, damit ihr das
Haar nicht ins Gesicht fällt. Meine Liz, endlich wieder zu Hause, durstig auf
eine Tasse Earl Grey, bereit zu einem Schneespaziergang am Charles River
entlang. Aber jetzt weiß ich, dass das nicht mehr sein wird. Seltsamerweise
haben die Ereignisse der letzten zwei Tage in meinem Kopf Klarheit über das
geschaffen, was wir hier tun und was auf dem Spiel steht. Ich bedaure überhaupt
nicht, dass ich hier bin, und ich habe keine Angst. Wenn es hart auf hart
kommt, gehe ich vielleicht allein weiter.
     
    Paul, was auch passieren mag und wie immer ich
mich entscheide, du sollst wissen, dass du ein großartiger Freund warst. Mehr
als ein Freund: ein Bruder. Merkwürdig, diesen Satz zu schreiben, während ich
am Ufer eines Flusses im bolivianischen Dschungel sitze, viertausend Meilen
weit entfernt von allem andern und von allen, die ich je gekannt und geliebt
habe. Ich habe das Gefühl, als hätte eine neue Ära in meinem Leben begonnen.
Das Leben kann uns doch an seltsame Orte führen, in dunkle Korridore.
     
    Von: [email protected]
    Datum: Dienstag,
21. Februar, 05:31
    An: [email protected]
    Betreff: Re:
Sei nicht blöd, hau ab, bitte
     
    Paul,
    wir haben gestern Abend per Satellit die
Evakuierung angefordert. Abholung in zehn Stunden - in allerletzter Minute!
Ich weiß nicht, wie wir hier noch eine weitere Nacht überleben sollen.
Diejenigen, die noch gesund sind, haben entschieden, den Tag zu nutzen und
einen letzten Vorstoß zum Zielort zu unternehmen. Wir wollten Münzen werfen,
aber wie sich herausstellte, wollten alle mit. Wir

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