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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Hunden,
die für Ruhe zu sorgen hatten, die Schüsse in die Luft. Und ich, gerade mal
acht Jahre alt, mit meinem Köfferchen, das meine Mama mir am Abend zuvor
gepackt hatte, während sie die ganze Zeit heulte, weil sie wusste, was sie tat:
Sie schickte mich für immer weg.
    Die Jumps hatten New York erobert, Pittsburgh
und D. C. Fast das ganze Land, soweit ich mich erinnere. Überall dort hatte ich
Verwandte. Und vieles wussten wir einfach nicht. Zum Beispiel, was mit Europa
oder Frankreich oder China passiert war, obwohl ich gehört hatte, wie mein
Daddy mit ein paar anderen Männern aus unserer Straße darüber sprach, dass das
Virus dort anders wäre: Es brächte einfach alle um. Wie durch ein Wunder war
Philadelphia damals die letzte Stadt auf der ganzen Welt, in der noch Leute
waren. Wir waren eine Insel. Als ich meine Mama nach dem Krieg fragte, sagte
sie, die Jumps wären Leute wie du und ich, nur krank. Ich war selber krank gewesen,
und deshalb bekam ich eine Heidenangst, als sie mir das erzählte. Ich fing an,
bitterlich zu weinen, weil ich dachte, ich könnte eines Tages einfach aufwachen
und sie und meinen Daddy und meine Verwandten umbringen, wie die Jumps es
taten. Meine Mama nahm mich fest in den Arm und sagte, nein, nein, Ida, das ist
was anderes, es ist überhaupt nicht das Gleiche, und jetzt sei still und hör
auf zu weinen, und das tat ich dann. Trotzdem konnte ich das alles eine
Zeitlang überhaupt nicht begreifen - warum jetzt Krieg war und überall Soldaten
kamen, wenn jemand auch nur einen Schnupfen oder Halsweh kriegte.
    So nannten wir sie - Jumps. Nicht Vampire,
obwohl man das Wort auch manchmal hören konnte. Mein Cousin Terrence sagte, sie
wären welche. Er zeigte sie mir in einem Comic, den er hatte, eine Art Bilderbuch,
wie ich mich erinnere, aber als ich meinen Daddy danach fragte und ihm die
Bilder zeigte, sagte er, nein, Vampire kämen nur in erfundenen Geschichten
vor, nett aussehende Männer in Anzügen und Capes und mit guten Manieren, aber
das hier ist die Wirklichkeit, Ida. Keine erfundene Geschichte. Inzwischen gibt
es natürlich viele Namen für sie: Flyers und Smokes und Drinks und Virais und
so weiter, aber wir nannten sie Jumps, weil sie genau das taten, wenn sie einen
schnappten: Sie sprangen. Mein Daddy sagte, egal, wie man sie nennt, sie sind
einfach niederträchtige Drecksäcke. Du bleibst im Haus, wie die Army es gesagt
hat, Ida. Ich war entsetzt, als ich ihn so reden hörte, denn mein Daddy war
Diakon der African Methodist Episcopal Church, und ich hatte ihn bisher nie so
reden gehört. Nachts war es am schlimmsten, besonders in dem Winter damals. Wir
hatten kein Licht wie heute. Es gab nicht viel zu essen außer dem, was die Army
uns gab, und heizen konnten wir nur, wenn wir etwas hatten, das wir verbrennen
konnten. Die Sonne ging unter, und sofort spürte man sie, diese Angst, die sich
wie ein Deckel auf alles legte. Wir wussten nie, ob die Jumps nicht in dieser
Nacht kommen würden. Mein Daddy hatte unsere Fenster mit Brettern vernagelt,
und er hatte auch ein Gewehr, das er die ganze Nacht neben sich hatte, wenn er
bei Kerzenlicht am Küchentisch saß, Radio hörte und vielleicht ein Schlückchen
trank. Bei der Marine war er Funkoffizier gewesen und kannte sich aus. Eines
Nachts kam ich herein und sah, dass er weinte. Sass einfach da, die Hände vor
dem Gesicht, und zitterte und weinte. Die Tränen liefen ihm über die Wangen.
Ich weiß nicht, was mich geweckt hatte, aber vielleicht waren es seine
Geräusche gewesen. Er war ein starker Mann, mein Daddy, und es tat mir leid,
ihn so traurig zu sehen. Ich fragte, was ist denn, Daddy, warum weinst du so?
Hat dir etwas Angst gemacht? Und er schüttelte den Kopf und sagte, Gott liebt
uns nicht mehr, Ida. Vielleicht haben wir was falsch gemacht. Aber er tut es
nicht mehr. Er ist einfach auf und davon. Dann kam meine Mama herein und sagte,
sei still, Monroe, du bist ja betrunken. Und dann hat sie mich ins Bett
gescheucht. So hieß mein Daddy: Monroe Jaxon der Dritte. Meine Mama hieß Anita.
Damals wusste ich es nicht, aber ich glaube, in der Nacht, als er weinte, hatte
er das mit dem Zug gehört. Es könnte aber auch was anderes gewesen sein.
    Nur der liebe Gott selber weiß, warum er
Philadelphia so lange verschont hat. Ich erinnere mich inzwischen kaum noch
daran; nur ab und zu an Kleinigkeiten. Zum Beispiel, wie ich abends mit meinem
Daddy losgegangen bin, um an der Ecke ein Wassereis zu kaufen. Ich kann mich
auch noch an

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