Cronin, Justin
sie auf dem Rücken zu einem langen Zopf geflochten
hatte, in einem tiefen, honiggoldenen Rot. Wie immer trug sie drei Klingen am
Gürtel. Alle lachten darüber und frotzelten, sie habe nur deshalb noch keinen
Mann gefunden, weil sie mit den Messern ins Bett ging.
»Weil du schwanger bist«, verkündete Alicia.
»Darum.«
Für einen Augenblick verschlug es der Gruppe die
Sprache. Peter drehte sich unwillkürlich im Sattel um und warf einen kurzen
Blick auf Mausamis Bauch. Na, wenn sie schwanger war, konnte man es noch nicht
sehen, obwohl es natürlich bei dem weiten T-Shirt nicht gut zu erkennen war.
Er sah zu Theo hinüber, aber dessen Gesicht verriet nicht, was er dachte.
»Was sagt man denn dazu?« Arlos Mund in der
Furche seines Bartes verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Ich habe mich
gefragt, wann ihr zwei das endlich schafft.«
Ein tiefes Rot war auf Mausamis kupferbraunen
Wangen erblüht. »Wer hat dir das erzählt?«
»Was glaubst du wohl?«
Mausami schaute weg. »Ich bringe ihn um, das
schwöre ich.«
Theo drehte sein Pferd zu Mausami herum. »Galen
hat recht, Maus. Ich kann dich nicht mitreiten lassen.«
»Ach, was weiß der denn? Er versucht schon das
ganze Jahr, mich von der Mauer herunterzuholen. Das kann er nicht bringen.«
»Galen hat nichts damit zu tun«, erklärte
Alicia. »Ich tue es. Du wirst von der Wache abgezogen. Schluss. Basta.«
Hinter ihnen kam die Herde den Weg herunter. In
ein paar Augenblicken würden sie im lärmenden Chaos der Tiere versinken. Peter
sah Mausami an und bemühte sich, sie als Mutter zu sehen, aber es gelang ihm
nicht ganz. Es war üblich, dass Frauen die Wache verließen, wenn die Zeit für
sie gekommen war; das taten sogar viele Männer, wenn ihre Frauen schwanger
wurden. Aber Mausami war Wächterin durch und durch. Sie konnte besser schießen
als die Hälfte der Männer, in einer Krise blieb sie kühl, und jede ihrer
Bewegungen war ruhig und zielstrebig. Wie Diamond, dachte Peter. Flink, wenn
es nötig war.
»Du solltest dich freuen«, sagte Theo. »Das ist
eine fabelhafte Neuigkeit.«
Mausami machte ein zutiefst verzweifeltes
Gesicht, und Peter sah, dass sie Tränen in den Augen hatte.
»Hör auf, Theo. Kannst du dir wirklich
vorstellen, dass ich in der Zuflucht hocke und kleine Strümpfe stricke? Ich
glaube, ich würde den Verstand verlieren.«
Theo streckte die Hand nach ihr aus. »Maus, hör
doch zu ...«
Mausami wich zurück. »Nicht, Theo.« Sie wandte
das Gesicht ab, um sich mit dem Handrücken die Tränen abzuwischen. »Okay,
Leute. Die Show ist vorbei. Zufrieden, Lish? Du hast, was du wolltest. Ich
gehe.« Sie ritt davon.
Als sie außer Hörweite war, faltete Theo die
Hände über dem Sattelknauf und schaute auf Alicia hinunter, die eine ihrer
Klingen am Saum ihres T-Shirts abwischte.
»Weißt du, du hättest auch warten können, bis
wir zurück sind.«
Alicia zuckte die Achseln. »Ein Kind ist ein
Kind, Theo. Du kennst die Regeln so gut wie jeder andere. Und offen gesagt, es
ärgert mich ein wenig, dass sie es mir nicht gesagt hat. Es ist ja nicht so,
als könnte sie es geheimhalten.« Alicia wirbelte das Messer um den Zeigefinger
und schob es wieder in die Scheide. »Es ist am besten so. Sie wird sich schon
wieder beruhigen.«
Theo runzelte die Stirn. »Du kennst sie nicht so
gut wie ich.«
»Ich werde nicht mit dir diskutieren, Theo. Ich
habe bereits mit Soo gesprochen. Die Sache ist entschieden.«
Die Herde drängte jetzt heran. Das Morgenlicht
erwärmte sich zu einem gleichmäßigen Glanz. Gleich würde die Morgenglocke
läuten, und das Tor würde sich öffnen.
»Wir brauchen noch einen vierten Mann«, sagte
Theo.
Alicia strahlte. »Komisch, dass du das erwähnst
...«
Alicia Blades. Sie war die letzte Donadio, aber
alle nannten sie nur »Blades«, wegen ihrer Messer. Der jüngste Captain seit Tag
Eins.
Alicia war noch in der Zuflucht gewesen, als
ihre Eltern in der Dunklen Nacht ums Leben gekommen waren. Von dem Tag an
hatte der Colonel sie großgezogen; er hatte sie unter seine Fittiche genommen,
als wäre sie seine eigene Tochter. Ihre Geschichten waren untrennbar miteinander
verflochten, denn wer immer der Colonel sein mochte - und in dieser Frage
bestand große Uneinigkeit -, er hatte Alicia nach seinem Bild geformt.
Seine eigene Vergangenheit war unklar und mehr
Mythos als Wirklichkeit. Es hieß, er sei eines Tages aus heiterem Himmel vor
dem Haupttor aufgetaucht, mit einem leeren Gewehr und einer langen
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