Cronin, Justin
ihnen nachlief. Michael war Erster Ingenieur für Licht und Strom. Wie
Alicia war er mit seinen gerade achtzehn Jahren sehr jung für diesen Posten.
Aber alle männlichen Fishers waren Ingenieure gewesen, und Michael war gleich
nach der Entlassung aus der Zuflucht bei seinem Vater in die Lehre gegangen.
Niemand begriff genau, was die Ingenieure eigentlich taten. Licht und Strom war
mit Abstand das am höchsten spezialisierte Gewerbe. Man wusste nur dies: Sie
sorgten dafür, dass der Strom den Berg herauffloss und die Scheinwerfer nachts
in der Kolonie brannten - eine Leistung, die an Zauberei grenzte und zugleich
völlig selbstverständlich war. Schließlich ging das Flutlicht ja Abend für
Abend an.
»Gut, dass ich euch noch erwischt habe.« Michael
schnappte nach Luft. »Wo ist Maus? Ich dachte, sie reitet mit euch.«
»Das soll dich nicht kümmern, Akku«, rief Alicia
von hinten. Ihr Pferd, eine kastanienbraune Stute namens Omega, scharrte
ungeduldig mit den Hufen. »Theo, können wir bitte einfach losreiten?«
Leise Verärgerung huschte über Michaels Gesicht.
In solchen Momenten kniff er die Augen unter den strohblonden Haaren zusammen,
seine blassen Wangen liefen rot an, und er sah noch jünger aus, als er war.
Wortlos reichte er Theo den Gegenstand hinauf, den er mitgebracht hatte. Es
war ein Rechteck aus grünem Kunststoff, dessen Oberfläche mit glänzenden
Metallpunkten verziert war.
»Okay.« Theo drehte die Platte hin und her und
betrachtete sie. »Ich gebe auf. Was ist das?«
»Das nennt man ein Motherboard.«
»Hey«, rief Alicia. »Können wir endlich los?«
Michael sah sie an. »Weißt du, es würde dich
nicht umbringen, wenn du dich ein bisschen mehr dafür interessieren würdest,
wie wir die Scheinwerfer in Betrieb halten.«
Alicia zuckte die Achseln. Die Feindseligkeit
zwischen den beiden war allgemein bekannt. Sie zankten sich in einem fort, wie
zwei Eichhörnchen. »Ihr drückt auf einen Knopf, und sie gehen an. Was gibt's
da zu kapieren?«
»Das reicht, Lish.« Theo sah Michael an:
»Braucht ihr so ein Ding?«
Michael zeigte mit dem Finger auf die Platte.
»Siehst du das da? Das kleine schwarze Viereck? Das ist der Mikroprozessor. Es
braucht euch nicht zu kümmern, was er tut. Achtet nur darauf, dass die gleichen
Zahlen draufstehen, wenn's geht, aber alles, was mit einer Neun endet, müsste
eigentlich funktionieren. Wahrscheinlich könntet ihr genau den gleichen in
jedem Desktop-Computer finden, aber die Kakerlaken fressen den Klebstoff. Also
versucht, einen zu finden, der sauber und trocken ist, ohne Insektenkacke.
Vielleicht probiert ihr es in den Büros am Südende der Mall.«
Theo betrachtete das Motherboard noch einmal und
schob es dann in seine Satteltasche. »Okay. Das hier ist zwar kein
Abstaubertrip, aber wenn wir es dazwischenschieben können, machen wir's. Sonst
noch was?«
Michael runzelte die Stirn. »Ein Kernreaktor
wäre praktisch. Oder ungefähr dreitausend Kubikmeter negativ ionisierter
Wasserstoff in einem Protonenaustauschaggregat.«
»Um Himmels willen«, stöhnte Alicia, »sprich
Englisch, Akku. Kein Mensch weiß verdammt noch mal, wovon du redest. Theo,
können wir bitte losreiten?«
Michael warf ihr einen letzten wütenden Blick zu
und wandte sich noch einmal an Theo. »Nur das Motherboard. Bringt mehr als eins
mit, wenn ihr könnt, und denkt daran, was ich über den Klebstoff gesagt habe.
Und - Peter?«
Peters Blick war zum Tor hinausgewandert.
Draußen war die Herde nur noch als Staubwolke in der Morgensonne zu sehen, die
den Hang hinauf zur Oberen Weide wehte. Aber er hatte nicht an die Herde gedacht,
sondern an Mausami, an die Panik in ihrem Blick, als sein Bruder die Hand nach
ihr ausgestreckt hatte. Als habe sie Angst vor seiner Berührung, als sei sie
ihr unerträglich.
Er schüttelte diese Gedanken ab und sah Michael
an, der vor ihm stand.
»Meine Schwester hat mich gebeten, dir etwas
auszurichten«, sagte Michael. »Sara?«
»Nur - du weißt schon.« Michael zuckte die
Achseln. »Sei vorsichtig.«
Das Kraftwerk war vierzig Kilometer weit
entfernt, fast einen ganzen Tagesritt. Als sie kaum eine Stunde unterwegs
waren, verstummten alle, sogar Ado, eingelullt von der Hitze und der Aussicht
auf den vor ihnen liegenden Tag. Die Straße, die vom Berg hinunterführte, war
teilweise weggespült, und sie mussten absteigen und ihre Tiere am Zügel führen.
Das Fett hatte jetzt erst richtig angefangen zu stinken, und Peter war froh,
dass er vorn ritt,
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