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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Enttäuscht zog er die Stirn kraus.
»Die sind viel zu groß. Passen nicht mal annähernd.«
    Und dann sprang der erste Viral herunter - eine
verschwommene Bewegung, erst über, dann hinter ihnen. Er fiel geradewegs vom
Dach des Atriums, und Peter bekam nur noch mit, wie Theo hochgehoben und
Richtung Decke geschleudert wurde. Sein Gewehr baumelte an dem Riemen, der sich
an seinem Arm verheddert hatte, und er griff mit Händen und Füßen ins Leere.
Ein zweiter Viral, der kopfüber an einem der Deckenträger hing, packte ihn beim
Fußknöchel, als sei er federleicht. Theo schwebte dort oben mit dem Kopf nach
unten, und Peter sah den Gesichtsausdruck seines Bruders, den Ausdruck blanken
Erstaunens. Er gab keinen Laut von sich. Sein Gewehr fiel herunter und landete
kreiselnd auf dem Boden. Dann schleuderte der Viral ihn durch das offene Dach
hinaus, und er war verschwunden.
    Peter war aufgesprungen, und sein Finger fand
den Abzug. Er hörte eine Stimme, seine eigene Stimme, die den Namen seines
Bruders rief, und er hörte, wie Alicia anfing zu schießen. Drei Virais waren
jetzt da oben, und sie schwangen sich von einer Strebe zur andern. Aus den Augenwinkeln
sah Peter, wie Alicia mit Caleb quer durch das Atrium lief und ihn über die
Theke eines Restaurants auf der anderen Seite schob.
    Dann schoss er endlich, schoss noch einmal. Aber
die Virais waren zu schnell. Immer war die Stelle leer, auf die er gezielt
hatte. Es kam ihm vor wie eine Art Spiel - als wollten sie ihn mit einem Trick
dazu bringen, seine Munition zu verschießen. Seit
wann tun sie das?, dachte er und fragte
sich sofort, wann er diese Worte schon einmal gehört hatte.
    Als der Erste dort oben losließ, sah Peter vor
seinem geistigen Auge die tödliche Präzision seiner Flugbahn. Alicia stand
jetzt mit dem Rücken zur Theke, und der Viral stürzte geradewegs auf sie
herunter, die Arme ausgestreckt, die Beine angezogen, um die Wucht des
Aufpralls aufzufangen - ein Wesen aus Zähnen und Klauen und geschmeidigen,
kraftvollen Muskeln. Einen Augenblick, bevor er landete, tat Alicia einen
Schritt vorwärts, direkt unter ihn, und hielt das Gewehr vor sich wie ein
Messer.
    Sie schoss.
    Ein roter Dunst, ein Gewirr von sich
überschlagenden Gliedmaßen, und das Gewehr flog klappernd zu Boden. Im Nu war
Alicia wieder auf den Beinen. Der Viral lag reglos da, und in seinem Hinterkopf
klaffte ein Krater voller Blut. Alicia hatte ihm geradewegs in den Mund
geschossen. Die beiden andern Virais waren über ihnen erstarrt. Ihre Zähne
blitzten, und sie schwenkten ihre Köpfe langsam in Alicias Richtung, als würde
jemand an einer unsichtbaren Schnur ziehen.
    »Raus hier«, schrie Alicia und flankte über die
Theke. »Renn!«
    Und das tat er. Er rannte.
     
    Jetzt war er irgendwo mitten in dem
Riesengebäude. Anscheinend führte kein Weg hinaus. Alle Ausgänge waren
verbarrikadiert, versperrt von Bergen von Müll: Möbeln, Einkaufswagen,
Abfallcontainern. Und Theo, sein Bruder, war verschwunden.
    Er musste sich verstecken. Das war seine einzige
Chance. Er zerrte an den herabgelassenen Gittern, aber keins ließ sich
hochschieben. Alle waren fest verschlossen. Aus dem Nebel der Panik erhob sich
eine Frage: Warum war er noch nicht tot? Als er aus dem Atrium geflohen war,
hatte er damit gerechnet, keine zehn Schritte weit zu kommen. Ein blitzartiger
Schmerz, und alles wäre vorüber. Mindestens eine Minute verging, bevor er
begriff, dass die Virais ihn nicht verfolgt hatten.
    Weil sie beschäftigt waren, dachte er. Er musste
sich an einem Gitter festhalten, um nicht in die Knie zu sacken. Er krümmte die
Finger zwischen die Stäbe, legte die Stirn an das kalte Metall und rang nach
Luft. Seine Freunde waren tot. Das war die einzige Erklärung. Theo war tot,
Caleb war tot, Alicia war tot. Und wenn die Virais mit ihnen fertig wären,
wenn sie sich sattgetrunken hätten, würden sie hinter ihm herkommen.
    Ihn jagen.
    Er rannte. Den Gang hinunter und in den
nächsten, vorbei an Reihen von verrammelten Geschäften, ohne noch auf die
Rollgitter zu achten. Er hatte nur noch einen Gedanken: raus hier, ins Freie.
Plötzlich schimmerte Tageslicht vor ihm, irgendeine Öffnung: Er bog um die
Ecke und schlitterte über die Fliesen in eine weite, kuppelartige Halle. Ein
zweites Atrium. Ohne jegliche Spuren von Müll. Das Sonnenlicht fiel in rauchigen
Strahlen durch einen Ring von Fenstern hoch über ihm herein.
    Mitten in der Halle stand eine reglose Herde
kleiner Pferde.
    Sie standen in

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