Cronin, Justin
hatte einen von ihnen
gerettet. Sie hatte ihn mit ihrem Körper bedeckt, wie es ihr Instinkt in diesem
Augenblick befohlen hatte, und sie hatte den Träumenden gesagt: Gebt
jetzt, gebt weg, und tötet diesen hier nicht. Eine
Zeitlang hatte ihre Beschwörung auf sie gewirkt, aber die andere Stimme in
ihren Köpfen war stark, und ihr Hunger war ebenso stark.
In ihrem Versteck in der staubigen Dunkelheit
unter den Pferden dachte sie an den, den sie gerettet hatte, und sie hoffte,
er sei nicht tot. Sie wartete und lauschte, ob die Männer mit ihren Pferden und
ihren Gewehren zurückkamen. Als sie nach ein paar Tagen nichts von ihnen gehört
hatte, verließ sie diesen Ort, wie sie alle andern davor verlassen hatte, und
trat hinaus in die Mondnacht, deren Teil sie war, untrennbar eins mit mir.
Wo sind sie?, fragte sie die Dunkelheit. Wo sind
die Männer mit ihren Pferden, damit ich hingehen und sie finden kann? Denn ich
war allein in all den Jahren, kein Ich außer mir.
Und eine neue Stimme kam zu ihr aus dem
Nachthimmel und sagte: Geh ins Mondlicht, Amy.
Wohin denn? Wohin soll ich gehen?
Bring sie zu mir. Der Weg wird dir den Weg
zeigen.
Ja. Sie würde es tun. Denn sie war zu lange
allein gewesen und sie war erfüllt von Trauer und einer großen Sehnsucht nach
anderen von ihrer Art, damit sie nicht länger allein wäre.
Geh ins Mondlicht und finde die Männer, damit
ich sie kenne, wie ich dich kenne, Amy.
Amy, dachte sie. Wer ist Amy? Und die Stimme
sagte: Das bist du.
Teil
V
Das Mädchen von Nirgendwo
Euch, die ihr euch an die Reise
aus der anderen Welt nicht erinnert,
sage ich, ich konnte wieder sprechen: was immer
aus dem Vergessen zurückkehrt, kehrt zurück,
um eine Stimme zu finden.
Louise Glück, Wilde
Iris
24
Log der Wache Sommer 92
Tag 51: Keine Sichtung.
Tag 52: Keine Sichtung
Tag 53: Keine Sichtung
Tag 54: Keine Sichtung
Tag 55: Peter Jaxon
stationiert auf FP1 (Gnade: Theo Jaxon).
Keine Sichtung.
Tag 56: Keine Sichtung.
Tag 57: Keine Sichtung.
Tag 58: Keine Sichtung.
Tag 59: Keine Sichtung.
Tag 60: Keine Sichtung.
Während dieser Zeit: 0
Kontakte. Keine Seele getötet oder befallen.
Vakanz Second Captain (T.
Jaxon, gefallen) ausgefüllt durch Sanjay Patal.
Hochachtungsvoll dem Haushalt
vorgelegt durch S. C. Ramirez, First Captain
In der Morgendämmerung des achten Tages klappte
Peter die Augen auf, als er die Herde herankommen hörte.
Er erinnerte sich, dass er irgendwann nach
Halbnacht gedacht hatte: Nur ein paar Minuten.
Nur ein paar Minuten sitzen, um wieder zu Kräften zu kommen. Aber
kaum hatte er sich hingesetzt, den Rücken an die Brüstung gelehnt und den müden
Kopf auf die über den Knien verschränkten Arme sinken lassen, hatte der Schlaf
ihn übermannt.
»Gut. Du bist wach.«
Lish stand vor ihm. Peter rieb sich Augen und
Nase und nahm wortlos die Wasserflasche, die sie ihm reichte. Seine Glieder
waren schwer und träge, als seien darin keine Knochen, sondern Schläuche mit
einer schwappenden Flüssigkeit. Er trank von dem lauwarmen Wasser und warf
einen Blick über die Brüstung. Jenseits des Schussfeldes stieg ein feiner Dunst
langsam von den Hügeln herauf.
»Wie lange war ich weg?«
Sie straffte die Schultern. »Mach dir keine
Gedanken. Du warst sieben Nächte lang ohne Pause auf den Beinen. Du hättest
gar nicht mehr hier draußen sein dürfen. Wer was anderes sagt, kriegt es mit
mir zu tun.«
Die Morgenglocke ertönte. Peter und Alicia sahen
schweigend zu, wie die Tore zurückglitten. Die Herde, rastlos und begierig,
hinauszukommen, wogte durch die Öffnung.
»Geh nach Hause und schlaf«, sagte Alicia, als
die Holzfällerteams sich abmarschbereit machten. »Um den Stein kannst du dir
später Sorgen machen.«
»Ich werde auf ihn warten.«
Sie schaute ihm fest ins Gesicht. »Peter. Es
waren sieben Nächte. Geh nach Hause.«
Schritte kamen die Leiter herauf. Hollis Wilson
schwang sich auf die Mauer und sah die beiden stirnrunzelnd an. »Du meldest
dich ab, Peter?«
»Der Posten gehört dir«, sagte Alicia. »Wir sind
hier fertig.«
»Ich habe gesagt, ich bleibe.«
Die Tagschicht fing an. Zwei weitere Wächter
kamen die Leiter herauf, Gar Phillips und Vivian Chou. Gar erzählte gerade
irgendeine Geschichte, und Vivian lachte, aber als sie die drei dort oben
stehen sahen, verstummten sie sofort und liefen schnell weiter.
»Hör zu«, sagte Hollis, »wenn du dableiben
willst, soll es mir recht sein. Ich werde es aber
Weitere Kostenlose Bücher