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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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die wie eine Strömung in ihrem Blut war. Wer
bin ich?, fragten sie.
    wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich
wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin
ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer
bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich
wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin ich wer bin
ich wer bin ich
    Da war sie weggerannt. Sie rannte und rannte
immer weiter.
    Die Jahreszeiten wechselten. Von einer zur
nächsten und so weiter und so fort. Es war kalt, und dann war es nicht kalt.
Die Nächte waren lang, und dann waren sie es nicht. Sie trug einen Rucksack mit
Sachen, die sie brauchte, und mit Sachen, die sie einfach dabeihaben wollte,
weil sie ihr Trost spendeten. Sie halfen ihr, sich zu erinnern und die guten
wie die schlechten Zeiten im Gedächtnis zu behalten. Dinge wie die Geschichte
von dem Geist Jacob Marley. Das Medaillon der Frau, das sie ihr vom Hals
genommen hatte, nachdem die Frau gestorben war. Einen Knochen von dem
Knochenfeld und einen Stein von dem Strand, wo sie das Schiff gesehen hatte. Ab
und zu aß sie. Manches in den Dosen, die sie fand, war nicht mehr gut. Sie
öffnete eine Dose mit dem Werkzeug aus ihrem Rucksack, und ein schrecklicher
Geruch entwich, wie aus dem Innern eines Gebäudes, in dem tote Leute in Reihen
oder nicht in Reihen lagen, und dann wusste sie, das konnte sie nicht essen.
Sie musste etwas anderes essen. Eine Zeitlang war das Meer neben ihr, riesig
und grau, und ein Strand mit glatten, von den Wellen polierten Steinen, und
hohe Kiefern streckten ihre langen Arme über das Wasser. Nachts sah sie zu, wie
die Sterne kreisten, sie sah, wie der Mond aufstieg und über dem Meer
heruntersank. Es war derselbe Mond wie überall auf der Welt, und für eine Weile
war sie dort glücklich. Dort sah sie auch das Schiff. Hallo!, rief sie, denn sie hatte ewig niemanden gesehen, und sie war
überglücklich bei dem bloßen Anblick. Hallo, Schiff! Hallo, du
großes Boot, hallo! Aber das Schiff hatte
nicht geantwortet. Es ging jeden Tag für einige Zeit weg, verschwand hinter dem
Rand des Meeres, und kam nachts mit dem Mond und den Gezeiten zurück. Wie der
Traum von einem Schiff, den niemand träumte außer ihr. Sie folgte ihm Tage und
Nächte hindurch bis dorthin, wo die Felsen waren und die eingestürzte Brücke,
so rot wie Blut, wo sein großer Bug zwischen den anderen zum Stehen kam, den
Großen und den Kleinen, und inzwischen wusste sie, dass dieses Schiff genau wie
seine Kameraden auf den Felsen leer war und ohne Menschen, und das Meer war
schwarz und hatte einen fauligen Geruch wie den, der aus den verdorbenen
Konserven kam. Und da war sie auch von dort weggegangen.
    Oh, sie konnte sie fühlen, sie alle. Sie konnte
die Hände ausstrecken und die Dunkelheit streicheln und sie darin fühlen,
überall. Ihr kummervolles Vergessen. Ihre große und schreckliche Betrübnis.
Ihre endlosen Fragen. Es weckte eine Trauer in ihr, die eine Art Liebe war.
Wie die Liebe, die sie für den Mann empfunden hatte, der ihr in seiner Fürsorglichkeit gesagt
hatte, sie solle weglaufen und immer weiter weglaufen.
    Der Mann .
Sie erinnerte sich an das Feuer und an das Licht in ihren Augen, grell wie
eine explodierende Sonne. Sie erinnerte sich an seine Traurigkeit und daran,
wie der Mann sich angefühlt hatte. Aber sie konnte ihn nicht mehr hören.
Der Mann ,
dachte sie, war fort.
    Es gab andere, die sie im Dunkeln hörte. Und sie
wusste auch, wer sie waren.
    Ich bin Babcock.
    Ich bin Morrison.
    Ich bin Chavez.
    Ich bin
Baffes-Turrell-Winston-Sosa-Echols-Lambright-Martinez-Reinhardt-Carter.
    Das waren die Zwölf für sie, und die Zwölf waren
überall, verwoben mit der Dunkelheit. Die Zwölf waren das Blut unter der Haut
aller Dinge.
     
    All das, über Jahre und Jahre. Sie erinnerte
sich an einen Tag, an den Tag auf dem Knochenfeld, und an einen anderen, den
Tag des Vogels und des Nicht-Sprechens. Das war an einem Ort mit Bäumen, sehr
hohen Bäumen. Da war er, ein kleines, flatterndes Ding in der Luft vor ihrem
Gesicht. Barfuß stand sie im Gras in der Sonne, hin und her flog er mit
schwirrenden Flügeln. Sie schaute und schaute. Es war, als habe sie dieses
kleine Ding tagelang betrachtet. Sie überlegte nach einem Wort für das, was es
war, aber als sie es aussprechen wollte, konnte sie es nicht. Vogel. Das Wort war in ihr, aber es gab keine Tür, durch die

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