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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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warf sie
sich über die Schulter, und dann rannte sie los, so schnell sie konnte. Das
Seil baumelte nutzlos und vergessen hinter ihr. Das Tor war ihre einzige
Chance.
    Alles erstarrte. Was immer man tat, das Tor
wurde nicht geöffnet. Nicht in der Nacht. Für niemanden, nicht einmal für
Alicia.
    In diesem Augenblick traf Peter ein. Er war von
Aunties Haus herübergerannt, als er den Aufruhr hörte. Caleb kam im
Laufschritt von der Kaserne und war kurz vor ihm am Haupttor. Peter hatte keine
Ahnung, was auf der anderen Seite passierte. Er hörte nur, was Hollis von der
Mauer herunterrief.
    »Es ist Lish!«
    »Was?«
    »Lish!«, schrie Hollis. »Sie ist draußen!«
    Caleb war als Erster im Windenhaus. Diese
Tatsache sollte ihn später belasten, während sie Peter von aller Schuld an dem,
was dann passierte, befreite. Als Alicia das Tor erreichte, war es gerade so
weit offen, dass sie mit dem Mädchen hereinschlüpfen konnte. Wenn sie es gleich
wieder hätten schließen können, wäre alles andere wahrscheinlich nicht geschehen.
Aber Caleb hatte die Bremse gelöst. Peter packte das Windenseil. Hinter und
über sich hörte er Schreie, das Zischen der Armbrustsalven, die abgehackten
Schritte der Wächter, die über die Leitern herunterkamen. Weitere Hände kamen
ihm zu Hilfe und umklammerten das Seil - Ben Chou und Ian Patal und Dale
Levine. Entsetzlich langsam drehte sich die Winde jetzt in die andere Richtung.
    Zu spät. Von den drei Virais kam nur einer durch
das Tor. Aber das genügte.
    Er nahm geradewegs Kurs auf die Zuflucht.
     
    Hollis erreichte das Gebäude als Erster, als der
Viral gerade auf das Dach hinaufsprang. Er schnellte über den First wie ein
Stein, der über das Wasser hüpft, und landete im Innenhof. Als Hollis durch
die Tür ins Haus stürmte, hörte er drinnen das laute Krachen von zerbrechendem
Glas.
    Gleichzeitig mit Mausami stürzte er in den
Großen Saal. Sie war von der anderen Seite herangelaufen gekommen, und sie war
unbewaffnet. Hollis hatte seine Armbrust. Es war unerwartet still. Hollis hatte
sich auf lautes Geschrei und Chaos gefasst gemacht, auf Kinder, die wild
durcheinanderliefen. Aber fast alle lagen mit weit aufgerissenen Augen in
ihren Betten, erschrocken und hilflos. Ein paar hatten sich unter den Pritschen
verkrochen, und als Hollis über die Schwelle trat, sah er eine panische
Bewegung in der vorderen Reihe, wo eine der drei »Jots« - June oder Jane oder
Juliet - aus ihrem Bettchen rollte und darunter verschwand. Das einzige Licht
fiel durch das zerbrochene Fenster herein. Die abgerissene Jalousie hing
schief herunter und schaukelte noch hin und her.
    Der Viral stand an Doras Bett.
    »Hey!«, schrie Mausami und schwenkte die Arme
über dem Kopf. »Hey, hier bin ich!«
    Wo war Leigh? Wo war die Lehrerin? Der Viral
riss den Kopf herum, als er Mausamis Stimme hörte. Er blinzelte, legte den Kopf
schräg. Ein feuchtes Klicken kam aus der scharfen Krümmung seiner Kehle.
    »Hier!«, brüllte Hollis. Er folgte Mausamis
Beispiel und fuchtelte mit den Armen, um die Aufmerksamkeit der Bestie auf sich
zu ziehen. »Ja, schau her!«
    Der Viral fuhr herum und starrte ihn an.
Irgendetwas funkelte an seinem Hals, irgendein Schmuckstück. Aber Hollis hatte
keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Er hatte sein Ziel vor sich,
seine Chance. Jetzt stürzte Leigh herein. Sie hatte im Büro geschlafen und
nichts gehört. Als sie anfing zu schreien, hob Hollis die Armbrust und schoss.
    Ein guter Schuss, ein sauberer Schuss, mitten in
den Sweetspot - als der Bolzen vom Schaft flog, hatte er gespürt, dass er
stimmte, dass er perfekt war. Und in dem Sekundenbruchteil, den der Bolzen
brauchte, um die kurze Distanz von weniger als fünf Metern zurückzulegen,
wusste er es. Der blinkende Schlüssel an der Schnur um den Hals, die traurige
Dankbarkeit in den Augen des Virais. Ein einziger Gedanke schoss ihm in den
Kopf, ein Wort nur, als der Bolzen - der gnädige, furchtbare und uneinholbare
Bolzen - mitten in die Brust des Virais fuhr. »Arlo.«
    Hollis hatte seinen Bruder getötet.
     
    Sara erinnerte sich nicht daran und würde es
auch nie tun, aber das erste Mal erfuhr sie in einem Traum von dem Walker: in
einem konfusen Traum, in dem sie wieder ein kleines Mädchen war. Sie war dabei,
Maisfladen zu backen. Die Küche, in der sie arbeitete - sie stand auf einem
Schemel und rührte den schweren Teig in einer großen Holzschüssel -, war die
Küche des Hauses, in dem sie wohnte, und zugleich die

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