Cronin, Justin
du
wahrscheinlich das Gleiche getan.«
»Hör zu, spar dir das für Sanjay. Ich darf nicht
mit dir reden.«
Als Lish endlich herauskam, war Peter
tatsächlich eingedöst. Wortlos warf sie ihm einen Blick zu, den er kannte: Ich
komm gleich noch zu dir.
Er spürte es, als er den Raum betrat. Was immer
passieren würde, war bereits entschieden. Sein Auftritt hier und das, was er zu
sagen hatte, würde daran kaum etwas ändern. Soo war aufgefordert worden, wegen
Befangenheit nicht an dem Hearing teilzunehmen, und deshalb waren nur fünf
Mitglieder des Haushalts anwesend: Sanjay, der in der Mitte des langen Tisches
saß, und rechts und links neben ihm Old Chou, Jimmy Molyneau, Walter Fisher
und Peters Cousine Dana, die den Platz der Jaxons innehatte. Peter bemerkte die
ungerade Zahl: Durch Soos Abwesenheit war dafür gesorgt, dass keine
Pattsituation entstehen konnte. Vor dem Tisch stand eine leere Schulbank. Die
Anspannung im Raum war mit Händen zu greifen. Niemand sprach ein Wort.
Anscheinend war nur Old Chou bereit, Peter in die Augen zu sehen. Alle andern
schauten weg, sogar Dana. Walter Fisher saß zusammengesunken auf seinem Stuhl;
er sah aus, als wisse er kaum, wo er war, und als kümmere es ihn auch nicht.
Selbst für Walters Verhältnisse war seine Kleidung außergewöhnlich schmutzig
und zerknautscht. Peter roch den Schnapsdunst, den er verströmte.
»Nimm Platz, Peter«, sagte Sanjay.
»Ich möchte lieber stehen bleiben, wenn's recht
ist.«
Er empfand heimliche Freude über seinen Trotz
und den Punkt, den er damit erzielt hatte. Aber Sanjay ließ sich davon nicht
beirren. »Dann wollen wir also fortfahren.« Er räusperte sich. »Zwar ist in
diesem Punkt noch einiges unklar, aber nach der allgemeinen Auffassung des
Haushalts, die im Großen und Ganzen auf der Aussage Calebs beruht, stehst du
nicht in der Verantwortung. Er ganz allein hat das Tor geöffnet. Ist das auch
deine Version?«
»Meine Version?«
»Ja, Peter.« Sanjay seufzte unverhohlen
ungeduldig. »Deine Version der Ereignisse. So, wie du glaubst, dass es passiert
ist.«
»Ich glaube überhaupt
nichts. Was hat Hightop euch erzählt?«
Old Chou hob die Hand und beugte sich vor. »Sanjay,
wenn ich darf ... ?«
Sanjay runzelte die Stirn, aber er sagte nichts.
Old Chou beugte sich gebieterisch über den
Tisch. Er hatte ein sanftes, faltiges Gesicht und feucht schimmernde Augen, die
ihn zutiefst ernsthaft aussehen ließen. Er war viele Jahre lang Oberhaupt des
Haushalts gewesen, bevor er diese Position an Theos Vater abgetreten hatte, und
dieser Umstand verlieh ihm immer noch beträchtliche Autorität, wenn er es
darauf anlegte. Meistens war das aber nicht der Fall. Nach dem Tod seiner Frau
in der Dunklen Nacht hatte er eine zweite, sehr viel jüngere Frau geheiratet,
und jetzt verbrachte er den größten Teil seiner Zeit im Bienenhaus bei seinen
geliebten Bienen.
»Peter, niemand bezweifelt, dass Caleb das
Richtige zu tun glaubte. Seine Absichten stehen hier nicht zur Debatte. Hast du
das Tor geöffnet oder nicht?«
»Was habt ihr mit ihm vor?«
»Das ist noch nicht entschieden. Bitte
beantworte meine Frage.«
Peter versuchte, Dana in die Augen zu sehen,
aber es gelang nicht. Sie starrte vor sich auf den Tisch.
»Ich hätte es getan, wenn ich zuerst da gewesen
wäre.«
Sanjay richtete sich entrüstet auf seinem Stuhl
auf. »Seht ihr? Genau das habe ich gesagt.«
Doch Old Chou beachtete Sanjays Einwurf nicht.
Er ließ Peter nicht aus den Augen. »Ich verstehe dich richtig, wenn ich sage,
deine Antwort lautet Nein? Du hättest es
getan, aber tatsächlich hast du es nicht getan?«
Er faltete die Hände auf dem Tisch. »Nimm dir einen Augenblick Zeit, wenn du
darüber nachdenken musst.«
Peter hatte den Eindruck, dass Old Chou
versuchte, ihn zu beschützen. Aber wenn er sagte, was geschehen war, würde er
Caleb die ganze Schuld in die Schuhe schieben, obwohl der Junge nur das getan
hatte, was Peter selbst getan hätte, wenn er vor ihm im Windenhaus gewesen
wäre.
»Niemand zweifelt an deiner Loyalität gegenüber
deinen Freunden«, fuhr Old Chou fort. »Und ich erwarte nichts anderes von dir.
Aber unsere oberste Loyalität muss der Sicherheit aller gelten. Ich frage dich
also noch einmal. Hast du Caleb geholfen, das Tor zu öffnen? Oder hast du im
Gegenteil versucht, es zu schließen, als du gesehen hast, was geschah?«
Peter hatte plötzlich das Gefühl, vor einem
tiefen Abgrund zu stehen. Was immer er jetzt sagte, es wäre
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