Cronin, Justin
kommentarlos. Er
sah Peter an. »Mehr kann ich euch nicht sagen. Wenn ihr mehr wissen wollt, muss
ich es aufmachen.«
»Dann mach es auf«, sagte Peter.
31
Sanjay Patal wollte Old Chou aufsuchen. Es gab
Dinge zu besprechen und zu entscheiden. Die Sache mit Sam und Milo, zum
Beispiel - das war ein Stolperstein, mit dem er nicht gerechnet hatte -, und
die Frage, was mit Caleb und mit dem Mädchen passieren sollte. Das Mädchen.
Etwas an ihren Augen.
Aber als er das Krankenrevier verließ, überkam
ihn mit einem Mal eine unerwartete Schwere. Vermutlich war das nur natürlich -
die halbe Nacht auf den Beinen, dann ein solcher Vormittag, so viel zu tun und
zu reden und zu bedenken, so viele Sorgen. Die Leute machten sich oft lustig
über den Haushalt: Das sei kein richtiger Job, nicht wie eins der Gewerbe. Theo
Jaxon war es gewesen, der die Bezeichnung »Klempnerkomitee« erfunden hatte,
ein Scherz, der Sanjay zutiefst getroffen hatte. Aber das lag daran, dass sie
keine Vorstellung von der Verantwortung hatten. Sie war eine schwere Last, die
man zu tragen hatte und niemals ganz ablegen konnte. Sanjay war fünfundvierzig
Jahre alt; das war nicht mehr jung, aber als er jetzt über den Kiesweg ging,
fühlte er sich viel älter.
Um diese Tageszeit würde Old Chou im Bienenhaus
sein. Ob das Tor offen oder geschlossen war, war den Bienen gleichgültig. Doch
der Gedanke an den weiten Weg dorthin unter der hohen, heißen Mittagssonne
und an die Leute, denen er unterwegs vielleicht begegnen und mit denen er würde
sprechen müssen, erfüllte ihn mit einer plötzlichen Müdigkeit, die wie ein
grauer Nebel durch sein Hirn zog. Im selben Augenblick wusste er, er musste
sich hinlegen. Old Chou wäre auch später noch da. Und fast ehe er sich versah,
stapfte er langsam über die schattige Lichtung zu seinem Haus, trat durch die
Tür (lauschte nach Gloria, hörte aber nichts), stieg die knarrende Treppe
hinauf ins Dachgeschoss mit seinen spinnwebverhangenen Winkeln und legte sich
auf sein Bett. Er war müde, so müde. Wie lange mochte es her sein, dass er sich
mitten am Tag ein Nickerchen gestattet hatte? Er war eingeschlafen, bevor er
diese Frage zu Ende gedacht hatte.
Einige Zeit später erwachte er mit einem ätzend
sauren Geschmack im Mund, und das Blut rauschte in seinen Ohren. Er fühlte
sich, als sei er nicht aufgewacht, sondern aus dem Schlaf geschleudert worden.
Sein Kopf war leergepumpt. Er hatte tief und fest geschlafen! Sanjay blieb
still liegen und genoss das Gefühl, in dem er schwebte. Irgendwann wurde ihm
bewusst, dass er Stimmen von unten hörte - Glorias Stimme und eine tiefere,
eine Männerstimme, Jimmy oder Ian oder vielleicht Galen. Er lag da und
lauschte, und irgendwann wurde ihm klar, dass noch mehr Zeit verstrichen war,
und die Stimmen waren verstummt. Wie schön, einfach so dazuliegen. Schön und
ein bisschen seltsam, denn eigentlich, dachte er, hätte er schon vor einer
Weile aufstehen müssen. Es wurde Abend; das sah er durch das Fenster. Die
Dämmerung färbte den grellweißen Sommerhimmel rosarot, und er hatte noch zu
tun. Jimmy würde wissen wollen, was wegen des Kraftwerks unternommen werden
und wer morgen früh hinausreiten sollte (allerdings konnte Sanjay sich im
Moment nicht genau erinnern, weshalb darüber entschieden werden musste). Und
dann war da immer noch der Junge, Caleb, den alle aus irgendeinem Grund Hightop
nannten (vielleicht hatte es etwas mit seinen Schuhen zu tun). So viele Dinge
... Aber je länger er dalag, desto ferner und verschwommener erschienen ihm
diese Sorgen, als beträfen sie jemand anderen.
»Sanjay?«
Gloria stand in der Tür. Ihre Anwesenheit
erreichte ihn nicht körperlich, sondern nur als Stimme: eine körperlose
Stimme, die im Dunkeln seinen Namen rief.
»Warum bist du im Bett?«
Ich weiß es nicht, dachte er. Seltsam, ich weiß
nicht, warum ich in diesem Bett liege. »Es ist schon spät, Sanjay. Die Leute
suchen dich.«
»Ich habe ... ein Nickerchen gemacht.«
»Ein Nickerchen?«
»Ja, Gloria. Ein Nickerchen. Ich habe
geschlafen.«
Seine Frau schien über ihm zu sein. Ihr glattes,
rundes Gesicht schwebte körperlos im grauen Meer seines Blickfelds. »Warum
hältst du die Decke so fest?«
»Wie denn? Wie halte ich die Decke fest?«
»Ich weiß nicht. Sieh doch selbst.«
Als er sich die Anstrengung vorstellte, die das
kosten würde, erschien sie ihm gewaltig, und er wollte es gar nicht erst
versuchen. Trotzdem gelang es ihm irgendwie: Er hob den
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