Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
Vom Netzwerk:
Bestes und machte weiter wie gehabt, aber Fakten waren Fakten.
Eines Tages würden diese Lichter ausgehen. Die größte Sorge von allen war
deshalb vielleicht die, dass man eines Tages erkennen würde, worauf sämtliche
Sorgen des Lebens hinausliefen: auf die Sehnsucht danach, einfach keine Sorgen
mehr zu haben.
    Das waren die Bienen: große und kleine Sorgen;
und im Traum wimmelten sie auf ihr herum, auf ihren Armen und Beinen, auf dem
Gesicht und in den Augen, sogar in den Ohren. Die Umgebung dieses Traums
entsprach ihrem letzten wachen Augenblick; nachdem sie erfolglos versucht
hatte, ihren Mann aus dem Bett zu holen, und nachdem sie Jimmy und Ian und Ben
und die anderen abgewimmelt hatte, die gekommen waren, um sich mit ihm zu
beraten - über den Jungen Caleb -, war Gloria am Küchentisch eingeschlafen.
Ihr Kopf war nach hinten gefallen, ihr Mund stand offen, und ein leises
Schnarchen kam aus ihrer Kehle. Das alles war auch in dem Traum so (das
Geräusch ihres Schnarchens war das Summen der Bienen), und nur der Schwarm war
dazugekommen, war aus Gründen, die ihr nicht völlig klar waren, in die Küche
eingedrungen, während sie schlief, und hatte sich geschlossen auf sie gelegt
wie eine große, zitternde Wolldecke. Jetzt erschien es völlig normal, dass
Bienen so etwas taten. Wieso hatte sie sich nicht besser vorgesehen? Gloria
fühlte das prickelnde Scharren der winzigen Füße auf ihrer Haut, das summende
Schwirren ihrer Flügel. Sie wusste, wenn sie sich bewegte, ja wenn sie nur
atmete, würde sie die Bienen zu tödlicher Wut reizen, und sie würden sie alle
stechen. Sie blieb in diesem Zustand qualvoller Reglosigkeit - es war ein Traum
der Bewegungsunfähigkeit -, und als sie Sanjays Schritte auf der Treppe hörte
und seine Anwesenheit in der Küche spürte, und als er dann wortlos hinausging
und die Fliegentür klatschend zufiel, ertönte in Glorias Kopf ein lautloser
Schrei, der sie ins Hier und Jetzt zurückholte und zugleich jede Erinnerung an
das Geschehene auslöschte: Als sie aufwachte, hatte sie nicht nur die Bienen
vergessen, sondern auch die Sache mit Sanjay.
    Auf der anderen Seite der Kolonie lag Elton,
sein Leben lang ein Träumer prachtvoll ausgeschmückter, erotischer Fantasien,
in seiner eigenen Duftwolke auf der Pritsche und hatte einen guten Traum.
Diesen Traum - den Traum im Heu - hatte Elton am liebsten, denn er war wahr,
ein Traum aus dem Leben. Auch wenn Michael es ihm nicht glaubte - und warum
sollte er auch? -, hatte es vor vielen Jahren eine Zeit gegeben, als Elton,
ein Mann von zwanzig Jahren, die Gunst einer unbekannten Frau genoss, die ihn
anscheinend erwählt hatte, weil seine Blindheit für sein Schweigen garantierte.
Wenn er nicht wusste, wer die Frau war - und sie sprach nie mit ihm -, konnte
er auch nichts erzählen. Vermutlich war sie verheiratet, und vielleicht wollte
sie ein Kind, das sie mit ihrem Mann nicht bekommen konnte, oder sie wollte
auch nur ein bisschen Abwechslung. (In Augenblicken des Selbstmitleids fragte
Elton sich, ob sie es als Mutprobe betrachtet hatte.) Eigentlich kam es nicht
darauf an. Ihre stets nächtlichen Besuche waren ihm willkommen. Manchmal weckte
ihn das Erlebnis mit seinen ausgeprägten Empfindungen einfach auf, als sei die
Realität aus einem Traum erwachsen, in den sie dann wieder zurückkehrte und
die leeren Nächte befeuerte, die danach kamen. Dann wieder kam die Frau zu ihm,
nahm ihn schweigend bei der Hand und führte ihn woandershin. So wie in dem
Heutraum, der sich in der Scheune abspielte, umgeben vom Wiehern der Pferde und
von dem süßen, trockenen Duft von frisch gemähtem Gras. Die Frau sprach nicht;
die einzigen Laute, die aus ihrem Mund kamen, waren Laute der Liebe, und es war
viel zu schnell zu Ende. Ein Haarbüschel streifte seine Wange, als die Frau
sich mit einem letzten, erschauernden Ausatmen von ihm löste und wortlos erhob.
Er träumte diese Ereignisse immer genau so, wie sie gewesen waren, bis zu dem
Augenblick, als er allein auf dem Boden der Scheune lag und sich nur wünschte,
er hätte die Frau sehen oder wenigstens hören können, wie sie seinen Namen sprach.
Dann schmeckte er Salz auf den Lippen und wusste, dass er weinte.
    Aber nicht heute Nacht. Heute Nacht, als es zu
Ende war, beugte sie sich über sein Gesicht und flüsterte ihm ins Ohr.
    »Jemand ist im Lichthaus, Elton.«
    Sara Fisher war im Krankenrevier und träumte
nicht, aber das Mädchen tat es anscheinend. Von der leeren Pritsche aus, auf
der sie saß, sah

Weitere Kostenlose Bücher