Cronin, Justin
Sara, dass die Augen des Mädchens hin und her flackerten, als
wanderten sie über eine unsichtbare Landschaft. Sara hatte Dale mit Mühe und
Not überreden können, den Mund zu halten. Sie hatte ihm versprochen, den
Haushalt gleich morgen zu informieren, denn jetzt müsse das Mädchen schlafen.
Und wie um diese Behauptung zu untermauern, hatte das Mädchen genau das getan
und sich zusammengerollt. Sara betrachtete sie und fragte sich, was das Ding in
ihrem Nacken gewesen war, was Michael herausfinden würde und warum sie, wenn
sie das Mädchen anschaute, glaubte, sie träume von Schnee.
Es gab nicht wenige andere, die auch nicht
schliefen. Die Nacht war voll von wachen Seelen. Galen Strauss zum Beispiel: Er
stand auf seinem Posten auf der Nordmauer - Feuerplattform zehn - und
blinzelte in den Lichtkreis der Scheinwerfer, und zum hundertsten Mal an diesem
Tag sagte er sich, er sei kein Vollidiot. Dass er das Bedürfnis hatte, sich das
einzureden - er hatte sich tatsächlich dabei ertappt, dass er die Worte vor
sich hin murmelte - bedeutete natürlich, dass er doch einer war. Das wusste
sogar er. Er war ein Idiot. Er war ein Idiot, weil er dachte, er könnte Mausami
dazu bringen, ihn so zu lieben, wie er sie liebte. Er war ein Idiot, weil er
sie geheiratet hatte, obwohl alle Welt wusste, dass sie Theo Jaxon liebte. Er
war ein Idiot, weil er seinen Stolz heruntergeschluckt hatte, als sie ihm von
dem Baby erzählte und ihm diese blöde Lüge mit den drei Monaten aufgetischt
hatte. Weil er ein dämliches Lächeln aufgesetzt und nur gesagt hatte: ein
Baby. Wow. Was sagt man dazu.
Er wusste verdammt genau, von wem das Kind war.
Einer der Schrauber, Finn Darreil, hatte ihm von der Nacht unten im Kraftwerk
erzählt. Finn war aufgestanden, um zu pinkeln; er hatte ein Geräusch aus einem
der Lagerräume gehört und war hingegangen, um nachzusehen. Die Tür war
geschlossen, erzählte er, aber man brauchte sie nicht aufzumachen, um zu
wissen, was dahinter los war. Finn war ein Typ, dem es ein bisschen zu viel
Spaß machte, einem etwas zu erzählen, wovon er glaubte, man müsse es wissen.
Seinen Worten war anzumerken, dass er sehr viel länger vor der Tür gestanden
hatte, als nötig war. Mensch, hatte er gesagt, macht sie dabei immer solche
Geräusche?
Dieser verfluchte Finn Darrell. Dieser
verfluchte Theo Jaxon.
Trotzdem hatte Galen sich einen hoffnungsvollen
Moment lang der Vorstellung hingegeben, das Kind könne das Verhältnis zwischen
ihnen vielleicht verbessern. Das war dämlich, aber er hatte es trotzdem
gehofft. Natürlich hatte das Kind die Streitereien zwischen ihnen in
Wirklichkeit nur verschärft. Wenn Theo von seinem Ritt ins Tal zurückgekommen
wäre, hätten sie es ihm wahrscheinlich auf der Stelle gebeichtet. Galen konnte
sich die Szene gut vorstellen: Es tut uns leid, Galen. Wir hätten es dir sagen
müssen. Es ist einfach irgendwie ... passiert. Demütigend - aber immerhin wäre
es dann vorbei gewesen. Wie die Dinge jetzt lagen, würden er und Maus in
Ewigkeit mit dieser Lüge leben müssen. Wahrscheinlich würden sie einander
schließlich verachten, wenn sie es nicht jetzt schon taten.
Diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf, und
zugleich dachte er auch mit Grauen an den nächsten Morgen, wenn er zum
Kraftwerk würde reiten müssen. Der Befehl war von Ian gekommen, aber Galen
hatte das dumpfe Gefühl, dass es nicht Ians Idee gewesen war - wahrscheinlich
steckte Jimmy dahinter, vielleicht, auch Sanjay. Er durfte einen Läufer
mitnehmen, aber das war alles; sie konnten niemanden sonst entbehren. Mach den
Laden da unten dicht, und warte auf die nächste Ablösungsmannschaft, hatte Ian
gesagt. Drei Tage, Maximum. Okay, Galen? Schaffst du das? Und natürlich hatte
er gesagt, ja, kein Problem. Er hatte sich sogar ein bisschen geschmeichelt
gefühlt. Im Laufe der nächsten Stunden hatte er allerdings gemerkt, dass er
seine schnelle Zustimmung bereute. Er war noch nicht oft im Tal gewesen, und es
war furchtbar dort - all die leeren Gebäude und die Slims, die in ihren Autos
schmorten -, aber das war nicht das eigentliche Problem. Das Problem war: Galen
hatte Angst. Die Leute wussten nicht, wie schlecht seine Augen in Wirklichkeit
waren. Nicht einmal Maus wusste es. Sie wussten es natürlich, aber nicht wirklich, sie kannten nicht das ganze Ausmaß, und es schien jeden Tag
schlimmer zu werden. Sein Gesichtsfeld war auf weniger als zwei Meter
geschrumpft, und alles, was weiter weg war, verschwand zusehends in
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