Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
Vom Netzwerk:
zum
Krankenrevier, um Sara und das Mädchen zu holen, dann zum Stall, um sich Pferde
zu beschaffen. Kurz vor der Ersten Glocke würde Dale auf der Mauer eine Sichtung
ausrufen. In dem Durcheinander würden sie bei Sonnenaufgang zum Tor
hinausschleichen und zum Kraftwerk hinunterreiten können. Dort würden sie sich
überlegen, wie es weitergehen sollte.
    »Weißt du, ich glaube, ich habe Dale
unterschätzt«, sagte Alicia. »Er hat mehr Mumm, als ich dachte.« Sie schaute
Michael an. »Du auch, Akku. Ich hätte nicht gedacht, dass einer wie du bereit
wäre, den Knast zu stürmen.«
    Alle vier gingen hinaus. Es wurde schnell
heller. Peter schätzte, dass sie nur noch ein paar Minuten Zeit hatten. Schnell
und lautlos liefen sie in Richtung Krankenrevier und um die Westseite der
Zuflucht herum, wo sie Deckung und einen freien Blick auf das Gebäude hatten.
    Die Veranda war leer, die Tür stand offen. Aus
den vorderen Fenstern fiel flackerndes Lampenlicht. Dann hörten sie einen
Schrei.
    Sara.
     
    Peter war als Erster da. Der Vorraum war leer.
Alles sah aus wie immer, nur der Stuhl vor dem Tisch lag auf der Seite. Aus
Richtung der Betten hörte Peter ein Stöhnen. Als die andern hinter ihm
hereinkamen, lief er bereits durch den Flur und riss den Vorhang zur Seite.
    Amy kauerte an der Wand. Sie hatte die Arme um
den Kopf gelegt, als wolle sie einen Schlag abwehren. Sara lag auf den Knien.
Ihr Gesicht war blutüberströmt.
    Überall lagen Leichen.
    Die andern kamen hinzu. Michael stürzte zu
seiner Schwester. »Sara!«
    Sie wollte etwas sagen. Ihr Mund öffnete sich,
aber kein Laut kam über ihre blutigen Lippen. Peter fiel neben Amy auf die Knie.
Anscheinend war sie unverletzt. Sie zuckte zusammen, rutschte davon und fuchtelte
abwehrend mit den Armen.
    »Ist ja gut«, sagte er, »ist alles gut«, doch
nichts war gut. Was war hier passiert? Wer hatte diese Männer umgebracht?
Hatten sie sich gegenseitig abgeschlachtet?
    »Das ist Ben Chou«, sagte Alicia. Sie kniete
neben einem der Toten. »Die zwei da sind Milo und Sam. Und der andere ist Jacob
Curtis.«
    Ben hatte ein Messer abbekommen. Milo, der mit
dem Gesicht nach unten in einer Blutlache lag, war durch einen Schlag auf den
Kopf getötet worden, und Sam war es anscheinend ebenso ergangen: Sein Schädel
war seitlich eingedrückt.
    Jacob lag auf dem Rücken am Fußende von Amys
Pritsche. Der Bolzen von Bens Armbrust ragte aus seinem Hals. Ein wenig Blut
quoll immer noch schaumig über seine Lippen, und seine Augen waren offen und
starrten überrascht herauf. In der ausgestreckten Hand hielt er ein Stück
Eisenrohr, beschmiert mit Blut und Hirnmasse, rot mit weißlichen Tupfen.
    »Heilige Scheiße!«, sagte Caleb. »Heilige
Scheiße, die sind alle tot!«
    Alles an diesem Anblick trat mit entsetzlicher
Klarheit hervor. Die Leichen auf dem Boden, die Blutpfützen. Jacob mit dem
Rohr in der Hand. Michael half Sara auf die Beine, Amy kauerte noch immer an
der Wand.
    »Es waren Sam und Milo«, brachte Sara hervor.
Michael führte sie zu einer der Pritschen, und sie setzte sich. Sie sprach
stockend, mit aufgesprungenen und geschwollenen Lippen. Ihre Zähne glänzten
rot. »Ben und ich haben versucht, sie aufzuhalten. Es war alles ... ich weiß
nicht. Sam hat mich geschlagen. Dann kam jemand herein.«
    »War das Jacob?«, fragte Peter. »Er liegt da und
ist tot, Sara.«
    »Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht!«
    Alicia nahm Peter beim Ellenbogen. »Es ist egal,
was passiert ist«, drängte sie. »Kein Mensch wird uns glauben. Wir müssen sofort weg!«
    Sie konnten jetzt nicht mehr riskieren, zum Tor
zu gehen. Alicia erklärte allen, was sie tun sollten. Das Wichtigste war,
nicht ins Blickfeld der Mauer zu geraten. Peter und Caleb würden zum Lagerhaus
laufen und Seile und Rucksäcke und Schuhe für Amy holen, und Alicia würde die
andern zum Treffpunkt führen.
    Die Tür des Lagerhauses stand einen Spaltbreit
offen, das Schloss war nicht richtig zu - was seltsam war. Allerdings hatten
sie keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Caleb und Peter betraten den
dunklen Schuppen mit den langen Regalreihen. Hier fanden sie Old Chou und neben
ihm Walter Fisher. Sie hingen Seite an Seite an den Deckenbalken. Die Stricke
spannten sich straff um ihre Hälse, und ihre Füße baumelten über einem Haufen
umgestoßener Bücherkisten. Ihre Haut hatte einen grauen Schimmer, und beiden
Männern hing die Zunge aus dem Mund. Offensichtlich hatten sie die Bücherkisten
als Trittleitern

Weitere Kostenlose Bücher