Cronin, Justin
um die Wartung der Hauptstromleitung zu
erleichtern. Abgesehen vom Colonel hatte ihn seit Jahren niemand mehr benutzt.
Es war sein Geheimausgang gewesen, hatte Alicia erklärt, den er benutzt hatte,
um auf die Jagd zu gehen. So war zumindest ein Rätsel gelöst.
Nach fünfundzwanzig Metern kam Peter draußen in
einem Mesquitengestrüpp wieder an die Oberfläche. Alle warteten auf ihn. Die
Scheinwerfer waren abgeschaltet, und der Morgenhimmel war grau. Über ihnen
ragte die Bergflanke auf wie eine glatte Felsplatte, eine stumme Zeugin all
dessen, was passiert war. Peter hörte die Rufe der Wache von der Mauer, die
Meldung der einzelnen Posten zur Morgenglocke und zum Schichtwechsel. Dale
würde sich fragen, was aus ihnen geworden war, wenn er es nicht schon wusste.
Bestimmt würden die Leichen bald entdeckt werden.
Alicia klappte die Luke hinter ihm zu und drehte
das Rad, um sie zu verschließen. Dann kniete sie sich hin und bedeckte sie mit
Reisig.
Peter hockte sich neben sie. »Sie werden uns
verfolgen«, sagte er leise. »Sie haben Pferde. Wir können ihnen nicht
entkommen.«
»Ich weiß.« Ihr Gesicht war angespannt. »Es
kommt nur darauf an, wer zuerst bei den Gewehren ist.«
Alicia stand auf, drehte sich um und führte sie
vom Berg hinunter.
Teil
VII
Darklands
Ich sah die Ewigkeit letzte Nacht
Wie einen großen Reif aus reinem unbegrenztem
Licht,
Ganz still und klar in seinem Glanz -
und unten, rings, in Stunden, Tagen, Jahren:
Zeit,
von Sphären umgetrieben, schattenhaft bewegt -
darin die Welt
und all ihr Trug gequirlt.
Henry Vaughan, Die
Welt
42
Bevor es Halbtag war, kamen sie am Fuß des
Berges an. Der Weg, ein Serpentinenpfad an der Ostflanke des Berges, war zu
steil für Pferde, und an manchen Stellen war es nicht einmal ein Pfad. Hundert
Meter oberhalb des Kraftwerks schien ein Teil des Berges einfach abgebrochen
zu sein. Ein heißer, trockener Wind wehte. Sie kletterten wieder zurück und
suchten nach einem anderen Weg, und die Minuten verstrichen. Endlich fanden sie
einen und machten sich an den letzten, langsamen Abstieg.
Sie näherten sich dem Kraftwerk von der
Rückseite her. Im Innern des umzäunten Geländes rührte sich nichts. »Hört ihr
was?«, fragte Alicia.
Peter blieb stehen und lauschte. »Ich höre
nichts.«
»Weil der Zaun abgeschaltet ist.«
Das Tor stand offen. Dann sahen sie einen
dunklen Klumpen auf dem Boden unter dem Segeltuchdach des Stalls. Als sie näher
kamen, schien der Klumpen sich in seine Atome aufzulösen; er zerstob zu einer
wirbelnden Wolke.
Ein Maultier. Die Fliegenwolke verwehte, als sie
herankamen. Die Erde unter dem Tier war dunkel von Blut.
Sara kniete neben dem Kadaver nieder. Das
Maultier lag auf der Seite, und der geschwollene Bauch wölbte sich vor,
aufgedunsen von Verwesungsgasen. Ein langer Riss, in dem es von Maden
wimmelte, zog sich am Hals herunter.
»Es ist seit zwei Tagen tot, würde ich sagen.«
Sara verzog das zerschundene Gesicht, als ihr der Geruch in die Nase stieg.
Ihre Unterlippe war aufgeplatzt, und an ihren Zähnen klebten Blutkrusten. Das
eine Auge, das linke, war zugeschwollen von einem riesigen blauen Veilchen.
»Sieht aus, als hätte jemand ein Messer benutzt.«
Peter sah Caleb an. Der starrte mit weit
aufgerissenen Augen auf den Hals des Maultiers und zog sich das T-Shirt über
die untere Gesichtshälfte, eine behelfsmäßige Maske gegen den Gestank.
»Wie bei Zanders Maultier? Draußen auf dem
Turbinenfeld?«
Caleb nickte.
»Peter ...« Alicia deutete zum Zaun. Auch dort
lag etwas Dunkles auf dem Boden.
»Noch ein Maultier?«
»Das glaube ich nicht.«
Es war Rey Ramirez. Viel war nicht übrig, nur
Knochen und verkohltes Fleisch. Er kniete vor dem Zaun, und seine starren
Finger krallten sich immer noch in die Drähte des Zauns. Die entblößten Knochen
seines Gesichts ließen ihn aussehen, als ob er lächelte.
»Das wäre die Erklärung für den Zaun«, sagte
Michael. Er sah aus, als müsste er sich gleich übergeben. »Er muss einen
Kurzschluss verursacht haben, als er sich so festklammerte.«
Die Lukentür des Kraftwerks stand offen. Sie
kletterten durch und gingen durch die dunklen Innenräume. Alles schien an
seinem Platz zu sein. Die Steuertafel leuchtete, und der Strom floss den Berg
hinauf. Finn war nirgends zu sehen. Alicia führte sie nach hinten. Das Regal,
hinter dem die Gewehre versteckt waren, stand unverändert an der Wand. Aber
erst als sie die Sperrholzwand weggeschoben und
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