Cronin, Justin
... was weiß ich ... hinhalten?«
»Mach dir keine Sorgen um mich. Ich kann auf
mich aufpassen. Aber es wird ihm nicht gefallen.« Sie zögerte. »Und da ist noch
etwas. Es hat nichts mit Jude zu tun, und ich weiß nicht, ob ich überhaupt
davon anfangen sollte. Erinnert sich noch jemand an Liza Chou?«
Peter sagte zumindest der Name noch etwas. Liza
Chou war Old Chous Nichte gewesen. Sie und ihre Familie, ein Bruder und ihre Eltern,
hatten zu den Opfern der Dunklen Nacht gehört - getötet oder befallen, das
wusste er nicht mehr. An Liza erinnerte er sich nur verschwommen; sie waren
zusammen in der Zuflucht gewesen, aber sie war damals eins der älteren Kinder
gewesen, praktisch erwachsen in seinen Augen.
»Was ist mit ihr?«, fragte Hollis.
Alicia zögerte. »Ich glaube, ich habe sie heute
gesehen.«
»Das ist unmöglich.« Sara winkte ab.
»Ich weiß, dass
es unmöglich ist. Alles hier
ist unwirklich. Aber Liza hatte eine Narbe an der Wange, das weiß ich noch. Von
irgendeinem Unfall - keine Ahnung. Es war dieselbe Narbe.«
Peter beugte sich vor. Etwas an dieser neuen
Information war wichtig, ein Teil eines langsam zutage tretenden Musters, das
er noch nicht genau erkennen konnte. »Wo war das?«
»In der Molkerei. Ich bin ziemlich sicher, dass
sie mich auch gesehen hat. Aber Jude war dabei, und ich konnte nichts machen.
Als ich wieder hinschaute, war sie nicht mehr da.«
Aber wie sollte ein kleines Kind so weit
kommen?, fragte sich Peter. »Ich weiß nicht, Lish. Bist du sicher?«
»Nein, ich bin nicht sicher. Ich hatte keine
Gelegenheit, mich zu vergewissern. Ich sage nur, sie hatte große Ähnlichkeit
mit Liza Chou.«
»War sie schwanger?«
Alicia überlegte kurz. »Jetzt, wo du mich fragst
- ja. War sie.«
»Viele Frauen hier sind schwanger«, sagte
Hollis.
»Aber warum gibt's keine Jungen?«, fragte Sara.
»Und wenn so viele Frauen schwanger sind, müsste es hier doch viel mehr Kinder
geben, oder?«
»Und die gibt's nicht?«, fragte Alicia.
»Na ja, ich dachte es zuerst. Aber gestern Abend
habe ich nicht mehr als zwei Dutzend gezählt. Und die Kinder, die ich sehe,
sind anscheinend immer wieder dieselben.«
»Hollis«, sagte Peter, »da draußen sind doch
Kinder.«
Hollis nickte. »Sie spielen auf den Autoreifen.«
»Hightop, sieh mal nach.«
Caleb stand von seiner Pritsche auf, ging zur
Tür und öffnete sie einen Spaltbreit.
»Lass mich raten«, sagte Sara. »Die Kleine mit
den schiefen Zähnen, und ihre Freundin, die kleine Blonde.«
Caleb drehte sich um. »Sie hat recht. Die sind
da draußen.«
»Das meine ich«, beharrte Sara. »Es sind immer
dieselben. Als wären sie immer da draußen, damit wir denken, es sind mehr, als es
tatsächlich gibt.«
»Wovon reden wir hier?«, fragte Alicia. »Okay,
das mit den Jungen finde ich auch merkwürdig. Aber jetzt... ich weiß nicht,
Sara.«
Sara spreizte streitbar die Schultern. »Du bist
diejenige, die behauptet, sie hätte ein Mädchen gesehen, das vor fünfzehn
Jahren gestorben ist. Sie müsste jetzt - wie alt? - Mitte zwanzig sein, oder?
Woher weißt du, dass es Liza Chou war?«
»Ich hab's doch gesagt. Die Narbe. Und ich
glaube, ich erkenne eine Chou, wenn ich sie sehe.«
»Und deshalb sollen wir uns einfach auf dein
Wort verlassen?«
Bei Saras scharfem Ton ging Alicia in
Kampfstellung. »Mach, was du willst. Was ich gesehen habe, habe ich gesehen.«
Peter hatte genug gehört. »Das reicht. Alle
beide.« Die beiden Frauen funkelten einander an. »So kommen wir nicht weiter.
Was ist los mit euch?«
Keine der beiden antwortete. Die Anspannung war
mit Händen zu greifen. Schließlich ließ Alicia sich seufzend wieder auf die
Pritsche fallen.
»Vergiss es. Ich habe einfach die Warterei satt.
Ich kann hier nicht schlafen. Es ist so verdammt heiß. Dauernd habe ich
Alpträume.«
Einen Moment lang sagte niemand etwas.
»Die dicke Frau?«, fragte Hollis.
Alicia richtete sich auf. »Was hast du gesagt?«
»In der Küche.« Hollis klang sehr ernst. »In der
Zeit Davor.«
Caleb kam von der Tür zurück. »Ich sage euch, der junge ist nicht nur blöd ...«
Sara beendete den Satz für ihn. »... er
ist mit Blödheit geschlagen.« Sie sah fassungslos aus.
»Ich träume auch von ihr.«
Alle sahen Peter an. Wovon redeten seine Freunde
da? Welche dicke Frau?
Er schüttelte den Kopf. »Sorry.«
»Aber alle andern haben den gleichen Traum«,
sagte Sara. Hollis rieb sich den Bart und nickte. »Sieht so aus.«
Michael war immer wieder
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