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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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nicht
verschwindest. Geh!«
    Das schien zu wirken. Mira verstummte, und ohne
Michael noch einmal anzusehen, verschwand sie hinter dem Wandschirm. Der
Wirbel der Gefühle war immer noch da: Verlangen, Verwirrung, Verlegenheit. Und
irgendwo im Hinterkopf dachte er: Genau mein Glück. Die lässt sich nicht mehr
hier blicken.
    Billie wandte sich an die beiden Männer. »Danny,
du bringst den Truck nach hinten. Tip, du bleibst bei mir.«
    »Was habt ihr mit mir vor?«
    Billie hatte eine kleine Blechdose aus
irgendeiner Tasche gezogen. Mit Daumen und Zeigefinger nahm sie eine Prise von
dem Pulver, das darin war, und streute es in einen Becher Wasser, den sie ihm
reichte.
    »Runter damit.«
    »Das trinke ich nicht.«
    Sie seufzte ungeduldig. »Tip, hilfst du uns
mal?« Der Mann trat heran, riesengroß neben Michaels Bett. »Vertrau mir«, sagte
Billie. »Es schmeckt nicht gut, aber es wird dir rasch helfen. Dann gibt es
keine dicke Frau mehr.«
    Die dicke Frau, dachte Michael. Die dicke Frau
in der Küche in der Zeit Davor. »Woher weißt du ... ?«
    »Trink einfach. Wir erklären es dir unterwegs.«
Anscheinend war es nicht zu vermeiden. Michael setzte den Becher an die Lippen
und schüttete das Zeug runter. Es schmeckte scheußlich. »Was zum Teufel ist
das?«
    »Das willst du wohl lieber nicht so genau
wissen.« Billie nahm ihm den Becher ab. »Spürst du schon etwas?«
    Ja. Es war, als habe jemand eine lange, straffe
Saite in ihm angeschlagen. Gleißende Energiewellen stiegen aus seinem
Innersten auf. Er öffnete den Mund, um von dieser Entdeckung zu berichten, als
ihn ein Krampf schüttelte, ein gigantischer Schluckauf, der ihn völlig außer Gefecht
setzte.
    »Das passiert bei den ersten ein, zwei Malen«,
erklärte Billie. »Du musst einfach ruhig weiteratmen.«
    Der Schluckauf kam noch einmal. Die Farben im
Raum wirkten ungewöhnlich lebhaft, als sei alles um ihn herum Teil dieser
neuen Energie.
    »Er sollte lieber still sein«, warnte Tip.
    »Das ist fantastisch«, brachte Michael hervor.
Er schluckte heftig und kämpfte den Schluckauf nieder.
    Der zweite Mann kam wieder herein. »Gleich ist
das Licht weg«, sagte er knapp. »Wir müssen uns beeilen.«
    »Hol seine Sachen.« Billie wandte sich wieder an
Michael. »Peter sagt, du bist Ingenieur. Du kannst alles reparieren. Stimmt
das?«
    Er dachte an den Zettel, den Sara ihm in die
Hand gedrückt hatte. Sag ihnen nichts.
    »Na?«
    »Ich nehm's an.«
    »Das reicht mir nicht, Michael. Es ist wichtig.
Kannst du es? Oder kannst du es nicht?«
    Er drehte sich zu den beiden Männern um, die ihn
jetzt erwartungsvoll anschauten, als hänge alles von seiner Antwort ab.
    »Okay. Ja.«
    Billie nickte. »Dann zieh dich an und tu, was
wir dir sagen.«
     
    50
     
    Mausami im Dunkeln. Ein Traum von Vögeln. Ein
schnelles, helles Flattern unter ihrem Herzen weckte sie, ein Flügelpaar, das
in ihr schlug. Das Baby, dachte sie. Das Baby bewegt sich.
    Sie fühlte es wieder - einen deutlichen,
wässrigen Druck, rhythmisch wie die Wellenringe auf einem Teich. Als klopfe
jemand in ihr an eine Scheibe: Hallo? Hallo da draußen!
    Sie strich mit beiden Händen über die Wölbung
ihres Bauches unter dem schweißfeuchten T-Shirt. Wohlige Zufriedenheit
durchströmte sie. Hallo, dachte sie. Selber hallo, du.
    Das Baby war ein junge. Sie hatte von Anfang an
gedacht, es sei ein Junge, seit jenem Morgen am Komposthaufen, als sie ihr
Frühstück wieder ausgespuckt hatte. Sie wollte ihm noch keinen Namen geben. Es
war schwerer, ein Kind mit einem Namen zu verlieren, das hatten alle immer
gesagt, aber das war nicht der eigentliche Grund, denn dieses Kind würde zur
Welt kommen. Dieser Gedanke war mehr als eine Hoffnung, mehr als nur Glaube.
Mausami wusste es. Und wenn das Kind geboren wäre, wenn es laut und schmerzhaft
auf die Welt gekommen wäre, würde Theo da sein, und sie würden ihm zusammen
einen Namen geben.
    Dieser Ort. Der Hafen. Er machte sie so müde.
Sie konnte immer nur schlafen. Und essen. Das war natürlich das Baby. Es war
das Baby, das sie ständig ans Essen denken ließ. Nach all dem Zwieback und der
Bohnenpaste und den scheußlichen, fremdartigen Mahlzeiten, die sie im Bunker
gefunden hatten - hundert Jahre alter Brei, in Plastik verschweißt: ein
Wunder, dass sie sich nicht alle vergiftet hatten -, war es wundervoll,
richtiges Essen zu bekommen. Rindfleisch und Milch. Brot und Käse. Echte
Butter, so sahnig, dass sie im Hals kitzelte. Mausami schaufelte alles in sich
hinein und

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