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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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zehn Jahren darauf gestoßen,
am Arsch der Welt, weit draußen im Westen von Oklahoma. Eine ganze Stadt mit
Überlebenden, mehr als elfhundert Männer, Frauen und Kinder. Ich war nicht
dabei, aber ich habe die Geschichten gehört. Es war, als gehe man hundert Jahre
zurück in die Vergangenheit; sie schienen nicht mal zu wissen, was die Dracs
waren. Sie kümmerten sich einfach um ihren Kram, nett und friedlich, ohne
Lichter, ohne Zäune. Schön, Sie zu sehen, aber machen Sie die Tür leise zu,
wenn Sie wieder gehen. Der Befehlshabende bot ihnen an, sie mitzunehmen, doch
sie sagten, nein danke, und in Wahrheit reichte auch die Ausrüstung des
Dritten Batallions nicht, um so viele Leute nach Süden und nach Kerrville zu
transportieren. Verdammt, es war unglaublich! Überlebende, und sie wollten
nicht gerettet werden. Das Dritte ließ eine Einheit da und marschierte nach
Norden, rauf nach Wichita, und da wurde ihnen der Arsch aufgerissen. Sie
verloren die Hälfte ihrer Männer, und die Übrigen flüchteten Hals über Kopf
zurück. Als sie da ankamen, war der Ort leer.«
    »Was heißt leer?«, fragte Peter.
    Vorhees hob die Brauen. »Leer heißt leer. Keine Seele, und auch keine Leichen. Alles blitzsauber, die
Tische zum Essen gedeckt. Von der Einheit, die sie zurückgelassen hatten, war
auch keine Spur mehr da.«
    Peter musste zugeben, dass es rätselhaft war,
aber er begriff nicht, was es mit dem Hafen zu tun haben sollte. »Vielleicht
haben sie einfach beschlossen, woanders hinzugehen, wo es sicherer war«, erwog
er.
    »Vielleicht. Vielleicht haben die Dracs sie so
schnell erwischt, dass sie nicht mal Zeit hatten, das Geschirr wegzuräumen. Ich
habe keine Antwort auf das, was Sie wissen wollen. Aber ich sage Ihnen eins.
Vor dreißig Jahren, als von Kerrville aus das Erste Expeditionsbataillon losgeschickt
wurde, konnten Sie keine hundert Meter weit gehen, ohne über einen Drac zu
stolpern. Das Erste hat an guten Tagen ein halbes Dutzend Männer verloren, und
als Coffees Einheit verschwand, dachten alle, es sei so gut wie vorbei. Ich
meine, der Kerl war eine Legende. Damals hat sich das Expeditionsbataillon mehr
oder weniger aufgelöst. Aber jetzt sind Sie hier, und Sie kommen aus dem fernen
Kalifornien. Damals hätten Sie keine zwanzig Schritte bis zur Latrine
geschafft.«
    Peter sah Greer an, und der nickte bestätigend.
»Wollen Sie sagen, sie sterben aus?«
    »Oh, es gibt noch jede Menge, glauben Sie mir.
Man muss nur wissen, wo man sie suchen soll. Ich will etwas anderes sagen.
Etwas hat sich verändert. In den letzten fünf Jahren haben wir von Kerrville
aus zwei Nachschublinien eingerichtet, eine bis rauf nach Hutchinson, Kansas,
und die andere durch New Mexico nach Colorado. Wir haben festgestellt, dass
sie sich jetzt üblicherweise zu großen Schwärmen zusammenrotten. Und sie
graben sich ein. Benutzen Bergwerke, Höhlen, Orte wie den Berg, den Sie
gefunden haben. Manchmal sind sie da drin so dicht zusammengezwängt, dass man
ein Stemmeisen braucht, um sie auseinanderzuhebeln. In den Großstädten wimmelt
es immer noch von ihnen, bei all den leeren Gebäuden, aber auf dem Land gibt es
Gegenden, wo Sie tagelang herumlaufen können, ohne einen zu sehen.«
    »Und Kerrville? Warum ist es da sicher?«
    Der General runzelte die Stirn. »Ist es nicht.
Nicht hundertprozentig. Tatsächlich kann man so gut wie nirgendwo in Texas
hingehen. Nach Laredo nicht und auch nicht nach Dallas. Houston, oder was davon
übrig ist, ist ein gottverdammter Blutegelsumpf. Die Stadt ist so vergiftet
von der Petrochemie, dass ich nicht weiß, wie die Leute es da aushalten, aber
sie tun es. San Antonio und Austin wurden im ersten Krieg weitgehend dem
Erdboden gleichgemacht, und El Paso auch. Die verfluchte Bundesregierung hat
versucht, die Dracs auszuräuchern. Das hat zur Unabhängigkeitserklärung
geführt, etwa um dieselbe Zeit, als Kalifornien sich abspaltete.«
    »Abspaltete?«, fragte Peter.
    Vorhees nickte. »Von den USA. Hat sich für
unabhängig erklärt. Die Sache mit Kalifornien endete in einem Blutbad; eine
Zeitlang kam es zu richtig schweren Gefechten, als hätte man damals keine
anderen Sorgen gehabt. Texas rutschte in dem Getümmel unten durch. Vielleicht,
weil die Bundesregierung nicht an zwei Fronten kämpfen wollte. Der Gouverneur beschlagnahmte
sämtliche militärischen Anlagen, was nicht schwierig war, weil die Army
mittlerweile fast aufgelöst war. Alles brach auseinander. Sie verlegten die
Hauptstadt nach Kerrville

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