Cronin, Justin
und gruben sich ein. Es gab eine Mauer wie in Ihrer
Kolonie, aber der Unterschied ist: Wir hatten Öl, und zwar jede Menge. Unten
bei Freeport lagern ungefähr fünfhundert Millionen Barrel in unterirdischen
Salzstöcken, die alte strategische Erdölreserve. Hast du Öl, hast du Strom.
Hast du Strom, hast du Licht. Wir haben mehr als dreißigtausend Seelen
innerhalb der Mauer, fünfzigtausend Hektar bewässertes Land und eine befestigte
Nachschublinie zu einer funktionsfähigen Raffinerie an der Küste.«
»An der Küste«, wiederholte Peter. Das Wort lag
ihm schwer auf der Zunge. »Sie meinen das Meer?«
»Na ja, den Golf von Mexiko.« Vorhees zuckte die
Achseln. »Ihn >Meer< zu nennen, wäre höflich. Ist eine Chemikalienbrühe.
All die Offshore-Plattformen pumpen immer noch ihren Dreck hinaus, und dazu
kommen die Abwässer von New Orleans. Die Meeresströmungen haben auch eine
Menge Müll herangeschwemmt. Tanker, Frachter, alles Mögliche. An manchen
Stellen kann man praktisch hinüberlaufen, ohne nasse Füße zu kriegen.«
»Aber man könnte immer noch von dort wegkommen«,
sagte Peter. »Mit einem Boot.«
»Theoretisch, ja. Ich würde es allerdings nicht
empfehlen. Das Problem besteht darin, an dem Sperrgürtel vorbeizukommen.«
»Minen«, erläuterte Greer.
Vorhees nickte. »Und zwar viele. In den letzten
Tagen des Krieges rotteten sich unsere sogenannten Freunde in der NATO
zusammen und unternahmen einen letzten Versuch, die Ausbreitung der Infektion
zu verhindern. Schwere Bombardierungen entlang der Küste, und zwar nicht nur
mit konventionellen Sprengköpfen. Sie haben so gut wie alles, was im Wasser schwamm,
in die Luft gejagt. Unten in Corpus Christi kann man immer noch die Wracks
sehen. Und dann haben sie Minen gelegt, nur um die Tür wirklich zuzumachen.«
Peter dachte an die Geschichte, die sein Vater
ihm erzählt hatte. Die Geschichten vom Meer und von Long Beach. Die verrosteten
Gerippe der großen Schiffe, so weit das Auge reichte. Nie hatte Peter sich
gefragt, wie es dazu gekommen war. Er hatte in einer Welt ohne Vergangenheit
gelebt, ohne Ursachen, in einer Welt, in der die Dinge einfach waren, was sie
waren. Als er jetzt mit Vorhees und Greer redete, war es, als betrachte er die
Linien auf einer Heftseite und sehe plötzlich die Worte, die darauf geschrieben
standen.
»Wie sieht es weiter östlich aus?«, fragte er.
»Haben Sie jemals jemanden hingeschickt?«
Vorhees schüttelte den Kopf. »Seit Jahren nicht
mehr. Die Erste Expedition hat zwei Bataillone hingeschickt, eins über
Shreveport nach Louisiana und eins durch Missouri nach St. Louis. Sie sind
nicht zurückgekommen.« Er zuckte die Achseln. »Vielleicht kommen sie eines
Tages noch. Vorläufig bleibt uns nur Texas.«
»Das würde ich gern sehen«, sagte Peter. »Diese
Stadt. Kerrville.«
»Das werden Sie, Peter.« Vorhees gestattete sich
ein Lächeln. »Wenn Sie mit dem Konvoi fahren.«
Sie hatten Vorhees noch nicht gesagt, wie sie
sich entschieden hatten, und Peter fühlte sich hin- und hergerissen. Hier waren
sie in Sicherheit, hier gab es Licht, sie hatten die Army gefunden. Vielleicht
würde es bis zum Frühjahr dauern, doch Peter war zuversichtlich, dass Vorhees
eine Expeditionstruppe zur Kolonie schicken und die andern herholen würde.
Kurz gesagt, sie hatten gefunden, was sie gesucht hatten, und mehr als das.
Seine Freunde jetzt zum Weiterziehen aufzufordern, erschien ihm unnötig
riskant. Und ohne Alicia wollte ein Teil seiner selbst ohnehin ja sagen, damit
das Ganze einfach vorbei wäre.
Aber immer wenn er darüber nachdachte, dachte er
als Nächstes an Amy. Alicia hatte recht gehabt. So weit gekommen zu sein und
dann aufzugeben - er würde es später sicher bereuen, wahrscheinlich sein Leben
lang. Michael hatte versucht, das Signal über das Funkgerät im Zelt des
Generals wieder einzufangen, aber dieses Gerät reichte nicht so weit. Vorhees
hatte gesagt, er habe keinen Anlass, ihm die Geschichte nicht zu glauben, aber
wer konnte schon wissen, was das Signal bedeutete?
»Das Militär hat allen möglichen Scheiß
hinterlassen. Die Zivilisten auch. Glauben Sie mir, wir kennen das. Sie können
nicht hinter jedem Piepser herjagen.« Er sprach mit der Müdigkeit eines Mannes,
der schon mehr als genug gesehen hatte. »Dieses Mädchen, das Sie da haben. Amy.
Vielleicht ist sie hundert Jahre alt, wie Sie sagen, vielleicht auch nicht. Ich
habe keinen Grund, Ihnen nicht zu glauben - nur, dass sie aussieht wie
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