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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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sie
gegeben.« Das Mädchen sah Lacey blinzelnd an. »Du warst auch da. Ich erinnere
mich jetzt.«
    »Ja. Ich war da.«
    »Und noch ein Mann.« Lacey nickte. »Agent
Doyle.«
    Tiefe Falten erschienen auf Amys Stirn. »Ich
mochte ihn nicht. Er dachte, ich mag ihn, doch das stimmte nicht.« Sie schloss
die Augen und erinnerte sich. »Wir waren im Auto. Wir waren im Auto, aber dann
haben wir angehalten.« Sie öffnete die Augen. »Du hast geblutet. Warum hast du
geblutet?«
    Lacey hatte es fast vergessen. Nach allem andern
erschien ihr dieser Teil der Geschichte so unbedeutend. »Ehrlich gesagt, ich
weiß es nicht. Aber ich glaube, einer der Soldaten muss auf mich geschossen
haben.«
    »Du bist ausgestiegen. Warum?«
    »Um auf dich zu warten, Amy«, sagte Lacey.
»Damit jemand hier wäre, wenn du zurückkämst.«
    Wieder wurde es still. Die Finger des Mädchens
betasteten den Hasen wie einen Talisman.
    »Sie sind so traurig. Sie haben so furchtbare
Träume. Ich höre sie dauernd.«
    »Was hörst du, Amy?«
    »Wer bin ich, wer bin ich, wer bin ich? Sie
fragen und fragen und fragen, aber ich kann es ihnen nicht sagen.«
    Lacey umfasste Amys Kinn und hob ihr Gesicht. In
ihren Augen glänzten die Tränen. »Du wirst es können. Wenn die Zeit dazu
gekommen ist.«
    »Sie sterben, Lacey. Sie sterben und wollen
wissen, wer sie sind. Warum können sie nicht damit aufhören, Lacey?«
    »Ich glaube, sie warten auf dich, Amy. Damit du
ihnen den Weg zeigst.«
    Lange blieben sie so sitzen. Dort, wo Laceys
Geist mit Amys zusammentraf, spürte sie die Trauer und die Einsamkeit des
Mädchens, aber mehr noch: Sie fühlte ihren Mut.
    Schließlich drehte Lacey sich zu Peter um. Er
liebte Amy nicht - nicht, wie Wolgast es getan hatte. Sie sah, dass da noch
jemand war, jemand, den Peter zurückgelassen hatte. Aber er war trotzdem dem
Funksignal gefolgt. Er hatte es gehört und Amy zurückgebracht.
    Sie beugte sich über die zweite Kiste auf dem
Boden und öffnete sie.
    Darin lagen Stapel von braunen Umschlägen mit
vergilbtem Papier. Nach so vielen Jahren rochen sie immer noch schwach nach
Rauch. Der Doktor hatte sie geborgen, zusammen mit Amys Rucksack, nachdem das
Feuer durch die unterirdischen Ebenen des Chalets gerast war. Jemand
sollte es erfahren, hatte er gesagt.
    Sie nahm den obersten Umschlag heraus und legte
ihn vor Peter auf den Tisch. Darauf stand:
     
    EX ORD 13292 TS1 STRENG
GEHEIM
    VIA WOLGAST, BRADFORD J.
    AUFNAHME-PROTOKOLL CT3
    PROBAND 1 BABCOCK, GILES J.
     
    »Es wird Zeit, dass du erfährst, wie diese Welt
geschaffen wurde«, sagte Schwester Lacey. Und dann öffnete sie den Umschlag.
     
    66
     
    Zu fünft ritten sie durch den verblassenden Tag,
mit Alicia an der Spitze. Die Spur der Vielen war eine breite Schneise der
Zerstörung - zertrampelter Schnee, abgebrochene Äste, Dreck überall. Mit jedem
Kilometer wurde sie dichter und breiter, als stießen immer mehr dieser
Kreaturen zu dem Schwarm, der sie aus der Wildnis zu sich rief. Hier und da sah
man einen Blutfleck im Schnee, wo irgendein Tier, ein Reh, ein Kaninchen oder
ein Eichhörnchen, ein schnelles Ende gefunden hatte. Die Spuren waren weniger
als zwölf Stunden alt. Irgendwo vor ihnen, im Schatten der Bäume, unter
Felsvorsprüngen und vielleicht sogar unter dem Schnee, warteten sie und
verdämmerten den Tag, ein riesiger Schwarm von Virais. Tausende.
    Am Spätnachmittag mussten sie eine Entscheidung
treffen: Sollten sie der Spur der Virais weiter folgen? Das wäre der kürzeste
Weg auf den Berg, aber einer, der sie mitten in den Schwarm führen würde. Oder
sollten sie nach Norden abbiegen, bis sie wieder auf den Fluss stießen, und
sich von Westen her nähern?
    Michael blieb im Sattel und sah zu, wie Alicia
und Greer sich berieten. Hollis und Sara waren an seiner Seite. Ihre Gewehre
lagen quer über den Schenkeln, und ihre Parkas waren bis zum Kinn geschlossen.
Die Luft war bitterkalt. In der endlosen Stille klang jedes Geräusch doppelt
laut, und der Wind fegte wie ein statisches Rauschen über das gefrorene Land.
    »Wir reiten nach Norden«, verkündete Alicia.
»Augen überall.«
    Es hatte keine Diskussionen über die Frage
gegeben, wer mitkommen würde; die einzige Überraschung war Greer gewesen. Als
die vier aufgestiegen waren, um loszureiten, war er auf seinem Pferd
herangekommen und hatte sich ihnen ohne ein Wort der Erklärung angeschlossen.
Das Kommando hatte er Eustace übergeben. Michael fragte sich, ob das bedeutete,
dass Greer die Führung

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