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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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aus einem Buch gelernt, das
sie im Hotel gefunden hatten, einem dünnen, vergilbten Bändchen mit dem Titel
»Einführung in den Ski-Langlauf«. Allerdings hatten die Worte und Bilder die
ganze Sache einfacher aussehen lassen, als sie wirklich war. Ausgerechnet Greer
konnte sich anfangs kaum auf den Beinen halten, und selbst wenn es ihm gelang,
rutschte er immer wieder hilflos zwischen die Bäume. Amy tat ihr Bestes, um ihm
zu helfen - sie hatte es sofort gekonnt und glitt mit flinker Anmut durch den
Schnee -, und sie zeigte ihm, was er tun musste. »So geht das«, sagte sie dann.
»Man fliegt irgendwie über den Schnee. Es ist ganz einfach.« Es war keineswegs
einfach, und auch alle andern waren oft genug in den Schnee gepurzelt, aber
nach einigem Üben kamen sie alle ganz gut zurecht.
    »Sind alle fertig?«, fragte Peter und ließ seine
Bindung einrasten. Die andern murmelten zustimmend. Es war kurz vor Halbtag,
und die Sonne stand hoch am Himmel. »Amy?«
    Das Mädchen nickte. »Ich glaube, es ist alles in
Ordnung.«
    »Okay, Leute. Augen überall.«
     
    Sie überquerten den Fluss bei der alten
Eisenbrücke, wandten sich nach Westen, verbrachten eine Nacht im Freien und
erreichten die Garnison am Ende des zweiten Tages. Im Tal war es Frühling. Hier
unten war der Schnee fast vollständig geschmolzen, und der Boden war von einer
dicken Schlammschicht bedeckt. Sie tauschten ihre Skier gegen den Humvee, den
das Bataillon zurückgelassen hatte, versorgten sich mit Proviant, Treibstoff
und Waffen aus dem unterirdischen Lager und setzten ihre Reise fort.
    Sie konnten genug Diesel mitnehmen, um bis zur
Staatsgrenze von Utah zu gelangen, vielleicht auch noch ein bisschen weiter.
Wenn sie bis dahin nichts mehr fänden, würden sie wieder zu Fuß weitermarschieren
müssen. Sie fuhren nach Süden, an den Bergen entlang und in trockenes Gelände
mit blutroten Felsen, die in fantastischen Formationen ringsherum aufragten.
Nachts krochen sie unter, wo es gerade ging - in einem Getreidesilo, in einem
leeren Sattelschlepper, in einer Tankstelle, die aussah wie ein Tipi.
    Sie wussten, dass sie nicht in Sicherheit waren.
Die von Babcock Befallenen waren tot, aber es gab andere. Die von Sosa. Die
von Lambright. Die von Baffes und Morrison und Carter und der ganze Rest. Das
hatten sie begriffen. Das hatte Lacey ihnen klargemacht, als sie die Bombe
gezündet hatte. Was die Zwölf waren - aber auch noch mehr: Wie man die andern
befreite.
    »Ich glaube, am ehesten vergleichbar sind
Bienen«, hatte Michael gesagt. In den endlosen Tagen, die sie auf dem Berg
verbracht hatten, hatte Peter ihnen Laceys Akten zu lesen gegeben, und sie
hatten stundenlang darüber diskutiert. Aber am Ende war es Michael gewesen,
dessen Hypothese sämtliche Fakten zusammengefügt hatte.
    »Diese zwölf ursprünglichen Probanden«, sagte er
und deutete auf die Unterlagen, »sind wie Bienenköniginnen, und jeder trägt
eine abgewandelte Variante des Virus in sich. Die Träger dieser Variante sind
Teil eines kollektiven Bewusstseins und mit dem ursprünglichen Träger
verbunden.«
    »Wie kommst du darauf?«, wollte Hollis wissen.
Er war skeptischer als alle andern und hinterfragte jedes Argument.
    »Zunächst mal wegen der Art und Weise, wie sie
sich bewegen. Hast du dich darüber nie gewundert? Alles, was sie tun, sieht
aus, als sei es koordiniert, weil es koordiniert ist, genau wie Olson es gesagt hat. Und es erklärt, wieso eins
von zehn Opfern befallen wird. Man muss es sich als virale Fortpflanzung
vorstellen, als Methode der Arterhaltung eines bestimmten Stammes.«
    »Wie eine Familie?«, fragte Sara.
    »Na, ja, das nun wieder auch nicht. Wir sprechen
hier immerhin von Virais. Aber
in gewisser Weise trifft es zu.«
    Peter erinnerte sich an etwas, das Vorhees
gesagt hatte: dass die Virais sich - welches Wort hatte er benutzt? Dass sie
sich zusammenrotteten, zu großen Schwärmen. Er erzählte es den andern.
    »Das passt ins Bild.« Michael nickte die ganze
Zeit. »Es gibt nur noch wenig Wild und fast keine Menschen mehr. Ihnen geht die
Nahrung aus, und sie finden kaum noch neue Opfer, die sie infizieren können.
Sie sind eine Spezies wie jede andere, programmiert zum Überleben. Insofern
könnte diese Sammelbewegung eine Art Anpassungsmaßnahme sein, mit der sie ihre
Kräfte sparen.«
    »Das heißt... sie sind jetzt schwächer?«,
vermutete Hollis.
    Michael rieb sich den spärlichen Bart und überlegte.
»Schwächer ist ein relativer Ausdruck«, sagte er.

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