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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Bord?«
    Peter zurrte das letzte Bündel auf dem Sno-Cat
fest. Amy hatte ihren Platz am Geländer eingenommen, und Sara stand unten und
reichte Skier hinauf. »Moment«, sagte Peter und wölbte die Hände um den Mund.
»Lish, ein bisschen Beeilung!«
    Sie kam aus dem Haus. Wie alle trug sie eine
rote Nylonjacke mit der Aufschrift SKI PATROL auf dem Rücken und kleine
Lederstiefel, die in die Skier passten, und ihre Leggins steckten bis an die
Knie unter Segeltuch-Gamaschen. Ihr Haar war in einem noch lebhafteren Rot
nachgewachsen und zum größten Teil unter einer Mütze mit langem Schirm
versteckt. Sie trug eine dunkle Schutzbrille mit Lederriemen, die sich fest um
ihren Kopf schlangen.
    »Anscheinend müssen wir immer irgendwo weg«,
sagte sie. »Ich wollte mich nur von dem Haus verabschieden.«
    Sie stand zehn Meter weiter am Rand der Veranda,
ungefähr auf einer Höhe mit dem Metallaufsatz des Cat. An ihrem plötzlichen
schiefen Grinsen und der Art, wie sie den Kopf erst zur einen, dann zur anderen
Seite legte, erkannte Peter, was sie vorhatte: Sie schätzte Entfernung und Winkel
ab. Dann nahm sie die Mütze ab, schüttelte ihr rotes Haar in der Sonne und
stopfte die Mütze unter den Klettverschluss ihrer Jacke. Sie machte drei
Schritte rückwärts, wippte in den Knien, lockerte die Arme und erhob sich
schließlich auf die Zehenspitzen.
    »Lish ...«
    Zu spät - zwei kurze Sprünge, und sie war
unterwegs. Die Veranda war leer, und Alicia flog durch die Luft. Was für ein
Anblick, dachte Peter: Alicia Blades, jüngster Captain der Ersten Kolonie,
Alicia Donadio, die letzte Expeditionärin, in der Luft. Mit ausgebreiteten
Armen, die Füße zusammen, zog sie an der Sonne vorbei. Im Zenit ihres Fluges
drückte sie das Kinn an die Brust und schlug einen Salto. Ihre Stiefelsohlen
richteten sich auf den Sno-Cat, sie streckte die Arme über den Kopf und kam wie
ein Pfeil auf sie zu. Dann landete sie mit einem metallischen Krachen, das die
Ladefläche erzittern ließ, und sank in die Hocke, um die Wucht des Aufpralls
abzufedern.
    »Fuck!« Michael fuhr am Steuer
herum. »Was war das?«
    »Nichts«, sagte Peter. Die Erschütterung der
Landung vibrierte noch immer in seinen Knochen. »Nur Lish.«
    Alicia richtete sich auf und klopfte an das
Rückfenster der Kabine. »Entspann dich, Michael.«
    »Verdammt, ich dachte, der Motor ist uns um die
Ohren geflogen.«
    Hollis und Sara kletterten an Bord. Alicia
setzte sich ans Geländer und drehte sich zu Peter um. Selbst durch die rauchig
dunklen Brillengläser konnte Peter das orangerote Leuchten ihrer Augen sehen.
    »Sorry«, sagte sie mit betretenem Grinsen. »Ich
dachte, ich krieg's besser hin.«
    »Ich glaube, ich werde mich nie daran gewöhnen«,
sagte er.
     
    Das Messer war nie herabgefahren. Das heißt, es war herabgefahren, aber dann hatte es aufgehört. Alles hatte
aufgehört.
    Alicia hatte das getan: Sie hatte Peters
Handgelenke gepackt und die Messerklinge auf ihrem abwärts gerichteten Bogen
eine Handbreit vor ihrer Brust gestoppt. Ihre Fesseln waren zerrissen wie
Papier. Peter spürte die Kraft in ihren Armen, eine titanenhafte Stärke,
übermenschlich, und er wusste, es war zu spät.
    Doch als sie die Augen öffnete, war es Alicia,
die er sah.
    »Wenn es dir recht ist, Peter«, sagte sie,
»würdest du dann die Vorhänge zuziehen? Es ist nämlich richtig, richtig hell
hier drin.«
     
    Das Neue Wesen. So nannten sie sie. Weder das
eine noch das andere, sondern irgendwie beides. Sie konnte die Virais nicht
fühlen, wie Amy es konnte, und sie hörte auch die ewig gleiche Frage nicht, die
sie stellten; die große Trauer in der Welt. In jeder Hinsicht war sie die alte,
dieselbe Alicia, die sie immer gewesen war, nur in einer nicht:
    Wenn sie wollte, konnte sie die erstaunlichsten
Dinge tun.
    Andererseits, dachte Peter - war das nicht schon
immer so gewesen?
    Der Sno-Cat krepierte in Sichtweite des
Talbodens. Der Motor puffte und keuchte, nieste noch einmal eine Abgaswolke durch
den Auspuff, und dann rollten sie auf den Ketten noch ein paar Meter weiter und
blieben stehen.
    »Das war's«, rief Peter aus der Kabine. »Jetzt
geht's zu Fuß weiter.«
    Alle kletterten herunter. Hinter den Bäumen
weiter unten hörte Peter das Rauschen des Flusses, der vom Schmelzwasser
angeschwollen war. Ihr Ziel war die Garnison - mindestens zwei Tagesmärsche
durch den schweren Frühlingsschnee. Sie luden ihr Gepäck ab und schnallten die
Skier an. Die Grundlagen des Skilaufens hatten sie

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