Cronin, Justin
Neues zu erfahren.
Grey arbeitete sich methodisch, Gang für Gang,
durch sein Essen. Die Sache mit Fanning ging ihm immer noch durch den Kopf wie
ein Nachrichtenticker, aber nicht mehr so schlimm; für ein paar Minuten vergaß
er es fast. Er aß den letzten Bissen Torte, als jemand an seinen Tisch kam:
einer der Soldaten. Grey glaubte sich zu erinnern, dass er Paulson hieß, aber
die Soldaten sahen irgendwie alle gleich aus in ihren Camos und T-Shirts und
blanken Stiefeln und mit Haaren, die so kurz geschoren waren, dass die Ohren
abstanden, als hätte jemand sie zum Spaß seitlich an den Kopf geklebt. Paulsons
Haarschnitt war so kurz, dass Grey nicht einmal erkennen konnte, welche
Haarfarbe er hatte. Er nahm den Stuhl rechts von Grey, drehte ihn um und setzte
sich rittlings darauf. Sein Lächeln empfand Grey nicht als freundlich.
»Euch Typen macht das Essen wirklich Spaß, was?«
Grey zuckte die Achseln.
»Du bist Grey, oder?« Er kniff die Augen
zsuammen. »Hab dich schon mal gesehen.«
Grey legte die Gabel hin und schluckte seinen
Kuchen herunter. »Yeah.«
Paulson nickte versonnen, als müsse er sich überlegen,
ob das ein guter Name war oder nicht. Sein Gesicht erschien äußerlich ruhig,
aber es sah aus, als müsse er sich Mühe geben. Einen Augenblick lang huschte
sein Blick hinüber zu der Überwachungskamera, die in der Ecke über ihnen hing.
Dann schaute er wieder Grey an.
»Weißt du, ihr Typen redet nicht viel«, sagte
Paulson. »Ist ein bisschen unheimlich, wenn ich das mal sagen darf.«
Unheimlich. Paulson hatte keine Ahnung. Grey
schwieg.
»Darf ich dich was fragen?« Paulson deutete mit
dem Kinn auf Greys Teller. »Lass dich nicht stören. Du kannst weiteressen,
während wir uns unterhalten.«
»Ich bin fertig«, sagte Grey. »Ich muss jetzt
zum Dienst.«
»Wie ist die Torte?«
»Du willst dich nach der Torte erkundigen?«
»Nach der Torte? Nein.« Paulson schüttelte den
Kopf. »Ich wollte nur höflich sein. Das wäre ein Beispiel für das, was man
Smalltalk nennt.«
Grey fragte sich, was der Mann wollte. Die
Soldaten sprachen sonst nie ein Wort mit ihm, und auf einmal saß dieser Paulson
hier, schwatzte auf ihn ein, als ob weit und breit keine Kamera da wäre.
»Sie ist gut«, brachte er hervor. »Ich mag
Zitrone.«
»Genug von der Torte. Die Torte ist mir
scheißegal.«
Grey griff mit beiden Händen zu seinem Tablett.
»Ich muss gehen«, sagte er, aber als er aufstehen wollte, legte Paulson ihm
eine Hand auf das Handgelenk. In dieser einen Berührung spürte Grey, wie stark
Paulson war - als seien die Muskeln an seinen Armen an Eisenstangen befestigt.
»Bleib. Sitzen. Verdammt.«
Grey blieb sitzen. Plötzlich wirkte der
Speisesaal leer. Er warf einen Blick an Paulson vorbei und sah, dass es
tatsächlich so war: Die meisten Tische waren unbesetzt. Nur am anderen Ende
des Raums saßen zwei Techniker und tranken Kaffee aus Wegwerfbechern. Wo waren
plötzlich alle?
»Weißt du, wir wissen, wer ihr Typen seid, Grey«, sagte Paulson ruhig und fest. Er beugte sich über
den Tisch, und seine Hand lag immer noch auf Greys Handgelenk. »Wir wissen, was ihr getan habt; das meine ich. Kleine Jungs, oder was
weiß ich. Ich sage: von mir aus. Jeder, wie er kann. Was gut ist für die Gans,
ist gut für den Ganter. Kannst du mir folgen?« Grey sagte nichts darauf. »So
denkt zwar keiner außer mir hier, aber das ist meine Meinung. Und soviel ich weiß, ist dies immer noch ein freies Land.«
Er rutschte auf seinem Stuhl nach vorn und schob sein Gesicht noch näher heran.
»Ich kannte mal einen Typen auf der Highschool, weißt du? Der schmierte sich
Kuchenteig auf den Schwanz und ließ ihn von seinem Hund ablecken. Wenn du also einen kleinen Jungen ficken willst -
nur zu. Ich persönlich kapier's zwar nicht, aber das ist deine Sache.«
Grey wurde schlecht. »Tut mir leid«, brachte er
hervor. »Ich muss gehen.«
»Wo musst du denn hin, Grey?«
»Wohin?« Er versuchte zu schlucken. »Zum Dienst.
Ich muss arbeiten.«
»Nein, musst du nicht.« Paulson nahm einen
Löffel von Greys Tablett und drehte ihn mit der Spitze seines Zeigefingers auf
dem Tisch. »Deine Schicht fängt erst in drei Stunden an. Ich kenne die Zeiten,
Grey. Wir plaudern hier miteinander,
verdammt.«
Grey beobachtete den Löffel und wartete darauf,
dass Paulson noch etwas sagte. Plötzlich brauchte er eine Zigarette, lechzte
danach mit jedem Molekül seines Körpers, war wie besessen davon. »Was willst
du von mir?«
Paulson
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