Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
Vom Netzwerk:
drehte den Löffel ein letztes Mal. »Was
ich will, Grey? Das ist die Frage, nicht wahr? Ich will etwas, da hast du
recht.« Er beugte sich über den Tisch und winkte Grey mit dem Zeigefinger näher
heran. Als er weitersprach, flüsterte er fast. »Ich will, dass du mir von Ebene
vier erzählst.«
    Grey spürte, wie sein Inneres jäh nach unten
sackte, als habe er den Fuß auf eine nicht vorhandene Stufe gesetzt.
    »Ich putze da bloß. Ich gehöre zum
Reinigungstrupp.«
    »Entschuldige bitte«, sagte Paulson. »Aber -
nein. Das kaufe ich dir nicht eine Sekunde lang ab.«
    Grey dachte wieder an die Kameras. »Richards
...«
    Paulson schnaubte. »Scheiß auf den.« Er sah
hinauf zu der Kamera, winkte kurz, drehte dann die Hand langsam herum und
ballte sie zur Faust. Nur sein Mittelfinger ragte hoch. »Glaubst du, da schaut
wirklich jemand hin? Den ganzen Tag, jeden Tag? Hört uns zu? Beobachtet, was
wir tun?«
    »Aber da unten ist nichts. Ich schwöre.«
    Paulson schüttelte langsam den Kopf, und Grey
sah einen wilden Ausdruck in seinem Blick. »Wir wissen beide, dass das
Bullshit ist. Also bitte, ja? Lass uns ehrlich zueinander sein.«
    »Ich putze nur«, sagte Grey kläglich. »Ich bin
nur zum Arbeiten hier.« Paulson sagte nichts. Es war so still, dass Grey seinen
eigenen Herzschlag zu hören glaubte.
    »Sag mal, schläfst du gut, Grey?«
    »Was?«
    Paulson kniff die Augen bedrohlich zusammen.
»Ich habe gefragt, ob ... du ... gut... schläfst.«
    Grey verstand überhaupt nichts mehr. »Ich nehm's
an, ja«, stammelte er. »Na klar, schlafe ich gut.«
    Paulson lachte leise und resigniert. Er lehnte
sich zurück und schaute zur Decke. »Du nimmst es an. Du
nimmst es an.«
    »Ich weiß nicht, warum du mich so was fragst.«
    Paulson atmete jäh aus. »Träume, Grey«, sagte er mit plötzlichem Nachdruck. Dann senkte er
die Stimme wieder und beugte sich dicht zu Grey herüber. »Ich rede von Träumen. Ihr Typen träumt doch, oder? Na, verdammt, ich träume
jedenfalls. Die ganze verfluchte Nacht lang. Jede Nacht. Und ich träume einen
verrückten Scheiß.«
    Verrückt, dachte Grey: Das beschrieb die
Situation ziemlich vollständig. Paulson war verrückt. Die Räder berührten die
Straße nicht mehr, die Ruder waren nicht mehr im Wasser. Vielleicht zu viele
Monate auf diesem Berg, zu viele Tage in Schnee und Kälte. Grey hatte solche
Leute in Beeville gekannt: ganz okay, als sie dort ankamen, aber als ein paar
Monate vergangen waren, brachten sie keine zwei sinnvollen Sätze mehr
zusammen.
    »Willst du wissen, wovon ich träume, Grey? Na
los. Rate mal.«
    »Ich will nicht.«
    »Du sollst verdammt noch mal raten.«
    Grey schaute auf die Tischplatte. Er spürte,
dass die Kameras ihn beobachteten - er spürte Richards, der das alles irgendwo
verfolgte. Bitte, dachte er. Um Himmels willen. Keine Fragen mehr.
    »Ich ... weiß es nicht.«
    »Du weißt es nicht.«
    Er schüttelte den Kopf und starrte weiter auf
den Tisch. »Nein.«
    »Dann will ich es dir verraten«, sagte Paulson
leise. »Ich träume von dir.«
    Sie schwiegen beide. Paulson war verrückt,
dachte Grey. Verrückt verrückt verrückt.
    »Es tut mir leid«, stammelte er. »Da unten ist
nichts.«
    Er wollte wieder aufstehen und wartete darauf,
dass Paulson ihm die Hand auf den Ellenbogen legte und ihn festhielt.
    »Na schön.« Paulson winkte kurz. »Ich bin
vorläufig fertig. Hau ab.« Er drehte sich auf seinem Stuhl um und schaute zu
Grey herauf, der mit seinem Tablett dastand. »Aber ich will dir noch ein
Geheimnis verraten. Möchtest du es hören?«
    Grey schüttelte den Kopf.
    »Kennst du die beiden Besenschwinger, die
verschwunden sind?«
    »Wen?«
    »Du kennst die Typen.« Paulson runzelte die
Stirn. »Die beiden Fettsäcke. Blödmann und sein Freund.«
    »Jack und Sam.«
    »Genau.« Paulsons Blick wanderte in die Ferne.
»Die Namen hab ich nie mitgekriegt. Vermutlich standen die auch nicht auf dem
Zettel.«
    Grey wartete darauf, dass Paulson weiterredete.
»Was ist mit ihnen?«
    »Tja, ich hoffe, das waren keine Freunde von
dir. Denn hier ist eine kleine Neuigkeit. Sie sind tot.« Paulson stand auf. Er
sah Grey nicht an, als er fortfuhr. »Wir sind alle tot.«
     
    Es war dunkel, und Carter hatte Angst.
    Er war irgendwo unten, tief unten. Im Aufzug
hatte er vier Knöpfe gesehen, und die Nummern waren rückwärts gelaufen wie in
einer Tiefgarage. Als sie ihn dort auf den Wagen gelegt hatten, war er
benommen gewesen und hatte keinen Schmerz empfunden; sie

Weitere Kostenlose Bücher